Paulo Coelho: Der Weg des Bogens

Tetsuya ist ein einfacher Mann. Er lebt in einem kleinen Dorf, wo er als Tischler arbeitet. Niemand dort kennt ihn anders. Doch eines Tages taucht ein Fremder aus, der sich mit Tetsuya in der Kunst des Bogenschießens messen will. Denn, so sagt er, Tetsuya sei der beste Bogenschütze des Landes. Ein Dorfjunge erlebt mit, wie Tetsuya nach kurzem Zögern seine Bogen hervorholt und die Herausforderung des Fremden annimmt.

Der Beginn des Buches, den ich hier zusammengefasst habe, bildet den Rahmen eines im Kern aus einer Vielzahl von Lebensweisheiten bestehenden Büchleins. Denn der Junge möchte wissen, wie er selbst ein so großartiger Bogenschütze werden kann, wie es Tetsuya ist. Dieser erklärt ihm nun die Wichtigkeit von Verbündeten, das Wesen des Bogens und der Pfeile, die Bedeutung des Ziels, der Haltung und des Augenblicks des Abschusses. Zu all diesen und weiteren Aspekten des Bogenschießens finden sich im Mittelteil des Buches kurze und jeweils in sich abgeschlossene Weisheiten.

Diese Sammlung bildet dann auch den eigentlichen Hauptteil des Buches und hat genau genommen keinen direkten Bezug zu der Handlung um Tetsuya und den Jungen. Diese bildet letztlich ‚nur‘ den Rahmen, schafft damit aber eine geeignete Atmosphäre, um die einzelnen Erkenntnisse gut aufnehmen zu können.

Paulo Coelho ist bekannt dafür, dass er Bücher schreibt, die tiefere Weisheiten beinhalten und nie oberflächlich bleiben. Das gilt mit Sicherheit auch wieder für sein neues Buch. Bei ‚Der Weg des Bogens‘ handelt es sich aber um keinen Roman mit einer durchgehenden Handlung. Die Geschichte um Tetsuya bildet nur Prolog und Epilog zu zahlreichen lesenswerten Gedanken und Erkenntnissen zu den Phasen des Kyudo (japanisches Bogenschießen).

Mich hat das beim Lesen zunächst überrascht, da die Handlung auf Seite 25 recht abrupt endet und erst ab Seite 143 im Epilog wieder aufgenommen wird. Was aber auch der Tatsache geschuldet ist, dass ich mit einer bestimmten Erwartungshaltung an das Buch herangegangen bin. Das aber ist sicherlich gerade bei einem Autor wie Paulo Coelho, der es in seinen Bücher immer wieder schafft, etwas Besonderes zu bieten, ein Fehler.

Die im Hauptteil vermittelten Lehren und Weisheiten beziehen sich sprachlich auf die Kunst des Bogenschießens und erwecken zunächst den Eindruck, für Nicht-Bogenschützen uninteressant zu sein. Doch das ist falsch, denn all das, was Coelho in seinem Büchlein sagt, lässt sich auf beliebige Bereiche des Lebens übertragen. Denn, so schreibt er auch auf der letzten Seite (S. 148): „…,dass in jedem menschlichen Handeln jede Phase des Weges des Bogens enthalten ist.“

Ich habe daher auch für das Lesen des Büchleins lange gebraucht, da ich immer wieder über das Gesagte nachdenken musste. Ist das Lösen der Sehne und das Abschießen des Pfeils, den man vorher so sorgsam gehütet und gepflegt hat, nicht auch mit dem Entlassen der eigenen Kinder ins Leben vergleichbar? – Das nur ein beispielhafter Gedanke, den ich bei der Lektüre hatte.

‚Der Weg des Bogens‘ hat mir sehr gut gefallen. Auch wenn mich, wie gesagt, der Aufbau mit Prolog und Epilog zunächst etwas irritiert hat. Das Lesen und Nachdenken über  die Vielzahl an klugen Gedanken, die das Buch zu bieten hat, haben mich am Ende doch begeistert. Dabei ist es sicherlich von Vorteil, wenn man zumindest einen gewissen Bezug zum Kyudo hat, was bei mir der Fall ist. Ansonsten mögen die Weisheiten, bei aller Klugheit, die ihnen innewohnt, möglicherweise etwas abstrakt und fremdartig wirken.

Mein Fazit: Ein wirklich schönes, von Christoph Niemann zudem sehr hübsch illustriertes, Buch. Ein Muss ist es eigentlich für jeden, der sich mit Kyudo beschäftigt. Aber auch für alle anderen lohnt es sich durchaus. Es gibt viele gute Bücher. Aber wirklich kluge Bücher sind selten. ‚Der Weg der Bogen‘ ist beides.

Paulo Coelho: Der Weg des Bogens.
Diogenes, September 2017.
160 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Christian Rautmann.

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