Patrick Ness: Mehr als das

mehrDer 17-jährige Seth ertrinkt im Meer, er schlägt sich den Kopf auf und – zapp! – ist es vorbei. Oder nicht …? Denn Seth erwacht wenig später in ganz anderer Umgebung. Erst ist er orientierungslos, dann erkennt er das Haus. Es ist der Ort seiner Kindheit im fernen England, wo er groß geworden ist, bevor seine Eltern mit den Kindern nach einem tragischen Unfall nach Amerika zogen. Und ausgerechnet Seth war schuld, denn im Alter von acht Jahren war er es, der dem Kriminellen vor ihrer Tür geöffnet hatte und so seinen kleinen Bruder Owen in große Gefahr brachte. Seitdem ist sein Bruder nicht mehr derselbe und auch seine Eltern distanzierter. Was hat es mit dem Haus auf sich und warum ist Seth ganz allein dort draußen?

Patrick Ness‘ neuer Roman beginnt fesselnd mit dem Tod Seths. Er kämpft müde und unterkühlt gegen die Wellen, spürt zunehmend, dass er keine Chance hat und sein Tod der einzige Ausweg aus dieser Situation ist. Dann Schnitt. Eine menschenleere Gegend, ein verwirrter Seth. Und was so gut angefangen hat, zieht sich plötzlich wie ein Kaugummi in die Länge. „Mehr als das“ ist durchaus ein spannender Roman über virtuelle Welten und Realitäten, aber er hätte auch viel kürzer sein können. Immer wieder fragt man sich beim Lesen, warum alles so lange dauert, warum es nicht endlich vorwärts geht.

Die Grundidee ist super. Seth befindet sich in der menschenleeren Welt, die ihm eine Erinnerung aus seiner Kindheit zeigt. Bis auf vereinzelte Tiere scheint niemand dort seit Jahren gewesen zu sein. Er steigt in einen völlig verstaubten Supermarkt ein und rüstet sich in einem Outdoor-Laden mit Kleidung aus. Dann legt er sich schlafen und es passiert! Er träumt von seiner Vergangenheit in Amerika. Und Stück für Stück erfahren die Leser und Leserinnen etwas von dem verzweifelten Jungen. Denn hier geht es um viel mehr als nur virtuelle Realitäten. In den Traum- und Vergangenheitssequenzen zeigen sich die wahren Qualitäten des Autors. Hier wirkt Seth gleichzeitig so verloren, so geborgen wie sonst nicht. Er wird zu einer vielschichtigen Figur, die er im verlassenen England definitiv nicht mehr ist. Allein wegen dieser Passagen lohnt es sich schon, den Roman zu lesen! Und auch wegen der immer wieder mal spannenden Szenen, die Ness sprachgewandt und rasant umsetzt.

Insgesamt bietet „Mehr als das“ spannende Ansätze zum Nachdenken und eine Geschichte, die nicht alle Fragen ausreichend beantwortet. Für lesebegeisterte Jugendliche ab 16 Jahren sicher eine gute Lektüre.

Patrick Ness: Mehr als das.
cbt, März 2014.
512 Seiten, Taschenbuch, 17,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

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