Naomi Novik: Scholomance 01: Tödliche Lektion

Sie kennen sie alle – Fantasy-Reihen um magische Internate. Charlie Bone ging auf ein Solches, ein nicht unbedingt charismatischer Steppke mit einer Narbe auf der Stirn – hieß der nicht irgendwie Harry P irgendwas? – besuchte ein Anderes, die Liste ließe sich mühelos auf Klopapierrolle verlängern.

Galadriel – mit so einem Namen geschlagen zu sein führt zwangsläufig dazu, dass die besagte Person entweder in jungen Jahren von einer Brücke springt, oder aber tough ohne Ende wird – genannt El, stammt aus einer Familie von Magiern. Ihr Vater starb, als er seine schwangere Frau beim Verlassen der Magierschule Scholomance rettete, seitdem bekam El von ihrer Großmutter väterlichseits eine mehr als finstere Prophezeiung mit auf den Weg – von Wegen, aus ihr würde eine Weltenzerstörerin – und wuchs in der Hippie-Kommune ihrer Mutter mehr geduldet, als geliebt auf. Seit einigen Jahren besucht sie nun selbst Scholomance – das Internat, auf dem alle und ich meine wirklich ausnahmslos alle Magier ihr Handwerk lernen. Dass vier Fünftel dabei auf der Strecke bleiben, – so wie in Sterben, grausam von Monstern verschlungen werden, sie wissen schon, was ich meine – führt dazu, dass die ausgesiebten Überlebenden nur um so versierter und lernbegieriger sind. Motivation ist alles, da können viele Assessment-Coaches sich Einiges vom Internat abschauen!

Eine Lehranstalt also, die ein wenig anders ist, als gewohnt. Keine Lehrer, keine Ferien, keine Streiche – stattdessen beständiger Kampf und jede Menge Opfer – wie in tote Schüler en Masse. Nun hat El in ihrem mittlerweile 16 Jahre andauernden Leben eines wirklich gelernt – nur auf sich selbst zu bauen, keine Freundschaften einzugehen und sich ja nie, niemals auf jemanden Anderen zu verlassen. Dass Orion, der Held der Schule, ein Beau aus der mächtigen Enklave in New York und damit Inhaber eines schier unerschöpflichen Kraftteilers, nicht nur Schüler aller Jahrgangsstufen immer wieder vor Mals und Schiyänen rettet, sondern El auch noch hinterherläuft, obwohl sie ihn wahrlich nicht ermutigt, macht ihr Leben nicht unbedingt einfacher. Dann kommt es, wie es kommen muss – El findet zum ersten Mal Freunde und die Gefahr wird zu gross – alle Schüler sämtlicher Unterstufen könnten drauf gehen. Es muss etwas passieren. Klar ist, dass Orion an vorderster Front dabei ist, doch ohne El ist die Mission von vorne herein zum Scheitern verurteilt …

Naomi Novik ist dem Deutschen Leser insbesondere durch ihre Drachen-Reihe um Temeraire (dt. Blanvalet) bekannt geworden. Hier präsentierte sie uns ein etwas anderes Britisches Empire zur Zeit Napoleons, in dessen Schlachten auch immer wieder intelligente Lindwürmer eingesetzt wurden. Mit ihren beiden bei cbj publizierten preisgekrönten Romanen „Das dunkle Herz des Waldes“ sowie „Das kalte Reich des Silbers“ bewies sie, dass sie auch außerhalb der Drachen-Fantasy punkten konnte. Nun also der Auftakt einer Jugendbuch-Trilogie und Novik macht hier Vieles richtig!

Zunächst präsentiert sie uns eine Heldin, die zu Beginn nicht eben sympathisch rüberkommt. El ist launisch, zynisch und verschlossen – kein einfaches Material um als Leser in diese Figur einzutauchen. Allerdings passt sie mit diesen Eigenschaften bestens zu dem Handlungsort. Und wie unterscheidet sich dieser doch von den großen Vorbildern, die wir aus vielen, zu vielen Romanen kennen. Eine vollautomatische Schule ohne Aufsicht, dafür mit jeder Menge Regeln. Wer sich an diese nicht hält – und welcher Schüler hält sich schon gerne an Vorgaben – wird bestraft. Allerdings in aller Regel nur ein einziges Mal, danach ist der Schüler – ganz unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Glauben – schlicht tot! Harter Tobak, aber ebenso ungewöhnlich wie dadurch interessant. Dass nur die Schulklassen 9 bis 12 diese Schule besuchen sorgt dafür, dass zumindest keine hilflosen kleinen Kinder dem System zum Opfer fallen – es langt, dass die hilflosen größeren Schülerinnen und Schüler dran glauben müssen. Dass unsere Protagonistin mit ihrer Gabe, die sie mühsam zügelt, eigentlich alles in Grund und Boden hexen könnte, ahnt von ihren Kommilitonen niemand, ist auch besser so, da sie sonst vielleicht dem Verlangen, den Bösen mal zu zeigen, was eine Harke ist, nicht länger widerstehen könnte. Ergo, innerer Zwiespalt ist auch abgehakt, wobei die vorsichtig angedeutete Öffnung zu Orion, der über die Länge des Buches hinweg ein wenig blass bleibt, für zaghafte, aber wirklich nur sehr dezente Romantik steht.

Zu der Magie mit ihrer positiv besetzten Mana und der dunklen, die Beschwörer langsam verzehrenden Malia gesellen sich Alchemie, Zaubersprüche in alten Sprachen, magische Bibliotheken etc. pp.

Die umfangreiche Ausstattung des Romans mit diesen Ingredienzien führt dazu, dass die Autorin zu Beginn des Romans eine wahre Flut an Info-Drops auf uns los lässt. Show don´t tell war ich versucht Novik zuzurufen, allein, nach dem ersten Drittel ist der Leser drin in dieser gar merkwürdigen Welt und dann beginnt das Mitfiebern, das Bangen und das Seiten schnell umschlagen.

Stilistisch flüssig, angenehm übersetzt und packend ausgeführt wartet so ein spannender Auftakt auf die Leserin und den Leser, der – natürlich – mit einen wirklich fiesen Cliffhanger endet – Fortsetzung folgt hoffentlich nicht in zu ferner Zukunft!

Naomi Novik: Scholomance 01: Tödliche Lektion.
cbj, März 2021.
481 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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