Minna Rytisalo: Lempi, das heißt Liebe

Mal unter uns, wer wusste über diesen Teil des Zweiten Weltkriegs Bescheid, dass die Sowjetunion in den vierziger Jahren Finnland annektieren wollte und die Finnen wiederum sich hilfesuchend an die Waffenbrüder des Nazideutschlands gewandt haben, um ihre Unabhängigkeit zu behalten, was ja, und das lag ja in der Natur des Nazi Verbrecher- und Mordregimes, a priori nicht möglich ist. (Also ich sag mal so, bei Jauch wäre ich früh gescheitert). Das als Hintergrundinfo zu einer bewegenden Geschichte, bzw. drei verschiedenen Geschichten, bei denen es allerdings immer um die gleiche Frau geht – die wiederum aber nicht zu Wort kommt. Als erster spricht Viljami zu uns, ein einfacher finnischer Bauernsohn, der, und er kann sein Glück nicht wirklich fassen, Lempi zur Frau bekommt, weil SIE das so wollte.

Lempi ist klug reizvoll und eigentlich „zu höherem“ berufen, als zu einer biederen Farmersfrau. Aber die beiden heiraten tatsächlich, haben ein schönes Jahr zusammen, dann muss Viljami an die Front. Er schildert vor allem seine Rückkehr drastisch und unendlich niedergeschlagen; vom Verlust seiner selbst und vor allem, vom Verlust seiner Frau Lempi. Denn die Magd Elli, die auf dem Hof als Mädchen für alles angestellt war, hat ihm in mehreren Briefen geschrieben, dass Lempi mit einem Deutschen durchgebrannt sei. Elli (die zweite Geschichte)  ist allerdings rasend eifersüchtig auf Lempi und will Viljami und die beiden existierenden Kinder für sich. Sie sieht sich als die wahre Ehefrau von Viljami aber entpuppt sich, je länger sie über sich schreibt, auch psychisch als vollkommen daneben.

Die dritte Geschichte schreibt Sisko, die Zwillingsschwester von Lempi. Die beiden hübschen Mädels sind behütet aufgewachsen, gut ausgebildet, aber eben mit unterschiedlichen Temperamenten ausgestattet. Als Lempi heiratet bleibt Sisko allein und orientierungslos zurück, geht dann tatsächlich mit dem deutschen Wehrmachtsangehörigen Max kurz vor der Kapitulation nach Deutschland, wo dann Max schnell nichts mehr von ihr wissen will. Sisko strandet also im zerbombten Hamburg als Finnin vollkommen entwurzelt und traut sich erst spät wieder zurück in ihre Heimat. In allen drei Geschichten geht es also um Lempi und um ihre unterschiedlichste Betrachtung! Um emotionale Nähe – von unendlicher, fast schon pathologischer Liebe (Viljani), zum irrationalem Hass (Elli) um dann im dritten Teil (Sisko) alles wieder erden zu lassen. Die Figuren sind, bei aller Grausamkeit des Krieges und den entsprechendem Chaos, wohltuend klar gezeichnet! Gut zu lesen und sind auch nur 220 Seiten!

Minna Rytisalo: Lempi, das heißt Liebe.
dtv, Mai 2020.
224 Seiten, Taschenbuch, 10,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.

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