Mhairi McFarlane: Aller guten Dinge sind zwei

Was kann man Besseres über einen Roman sagen, als dass man sich die halbe Nacht um die Ohren schlug, weil man ihn nicht aus der Hand legen konnte? Genau so erging es mir mit dem neuen Buch der schottischen Autorin, ihrem sechsten Roman. Mit ihren ersten fünf Romanen war es ebenso gewesen. Sie kann einfach unglaublich gute Bücher schreiben.

Gemeinhin wird diese Art von Romanen dem Genre „Chick-Lit“ zugeordnet, soll heißen, es geht um eine Liebesgeschichte, in deren Mittelpunkt eine junge Frau Mitte Dreißig steht. Meist beginnt die Geschichte damit, dass besagte Frau von ihrem bisherigen Partner verlassen wird, dass sie geringes Selbstvertrauen hat, weil sie sich bislang mehr oder weniger über ihren Partner definierte. Nur wenige der in dieses Genre eingereihten Romane sind aber so spannend und so gut geschrieben wie die von Mhairi McFarlane.

Im vorliegenden Buch ist es Laurie, deren langjähriger Freund Dan, nachdem er stets verkündet hatte, er wolle weder heiraten noch Kinder haben, ihr eröffnet, er habe eine Affäre mit einer anderen Frau, die nun ein Kind von ihm erwarte. Natürlich ist Laurie schwer geschockt, nach 18 Jahren plötzlich wieder als Single dazustehen. Erschwerend kommt hinzu, dass Dan und sie in derselben Anwaltskanzlei arbeiten, sich also ständig über den Weg laufen. Da kommt ihr der Zufall zu Hilfe in Form eines blockierten Aufzugs, in dem sie ein paar Stunden lang mit dem Kollegen Jamie festsitzt. Jamie ist der unbeliebteste Anwalt in der Kanzlei, denn er gilt als ehrgeizig, eitel und als Frauenverschlinger.

Jamie und Laurie planen nun einen gemeinsamen Feldzug: sie geben sich als Liebespaar aus, um einerseits Dan eifersüchtig zu machen und andererseits Jamie zur Beförderung zu verhelfen, für die er eine feste Beziehung vorweisen muss.

Natürlich ahnt jede Leserin sofort, wie es kommen wird. Auch das gehört zu den Voraussetzungen bei Chick-Lit-Romanen. Aber der Weg zum großen Finale ist bei Mhairi McFarlane so leichtfüßig, so herzerfrischend, so spannend (ja, spannend, auch wenn man das Ende erahnt) und so humorvoll geschrieben, dass man – s.o. – das Buch erst aus der Hand legt, wenn die letzte Seite gelesen ist.

Die Figuren wirken wie gute Freunde, sie sind lebendig, natürlich, mit Fehlern behaftet, die wir auch an uns erkennen. Dabei entwickeln sie sich im Laufe der Geschichte, etwas, das für mich unabdingbar ist bei einem Roman, da er ansonsten nicht funktioniert. Auch die Nebenfiguren, die beste Freundin Lauries oder die Kollegen aus der Kanzlei, sind mit feinen Strichen gezeichnet, mit Tiefgang und ohne Schablone.

Die Dialoge sind witzig, spritzig, absolut lebensecht. Die Handlung ist wendungsreich, mit vielen Plotpoints und Konflikten, doch nie unwahrscheinlich oder absurd. Dabei beschränkt sich die Autorin nicht auf die Liebesgeschichte, weitere Handlungsstränge, die ihr ebenfalls gelungen sind, beschäftigen sich mit Lauries Familiengeschichte oder thematisieren die männliche Dominanz in Beziehungen und im Berufsleben, insbesondere in Lauries Kanzlei. Das geschieht jedoch nicht plakativ oder aufdringlich, sondern wird sehr geschickt in den Haupthandlungsstrang eingewoben. Bei all dem hält sich perfekt die Waage zwischen Komödie und Drama – an mancher Stelle habe ich laut gelacht, an anderer ein kleines Tränchen verdrückt.

Bevor ich noch weiter von diesem Roman schwärme, rate ich einfach: selbst lesen! Er mag keine „Literatur“ sein, aber er hat alles, was zu einem guten Buch gehört und ist perfekt für einen kuscheligen Wintertag auf dem Sofa.

Mhairi McFarlane: Aller guten Dinge sind zwei.
Knaur, November 2020.
432 Seiten, Taschenbuch, 10,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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