Mary Gaitskill: Der verschwundene Kater

gaitWährend Mary Gaitskill in der Toscana auf einem Rückzugsort für Literaten weilt, trifft sie an einem alten Bauernhaus auf eine Schar verwahrloster Katzen, denen sie helfen möchte.
Nur ein kleiner getigerter Kater lässt sich von ihr einfangen und zum Tierarzt bringen. Das Tier würde noch wochenlange Pflege benötigen, bis es wieder aufgepäppelt sei, sagt man ihr. Mary nimmt sich die Zeit wie selbstverständlich dafür. Der kleine Kater erobert ihr Herz, weil er so feinfühlig und zurückhaltend auf sie und das Leben reagiert. Mit der Zeit projiziert Mary viele ihrer Gedanken die sie aufarbeitet auf das Verhalten des Tieres, das ihr allzu oft wie menschlich vorkommt.
Natürlich kann Mary den Kater, den sie und ihr Mann später Gattino nennen, nicht in Italien zurücklassen und so nimmt sie ihn mit in ihre Heimat USA. Dort verschwindet Gattino zweieinhalb Monate nach dem Umzug.
Mary ist untröstlich. Tag für Tag sucht sie stundenlang die Umgegend ab, hängt Steckbriefe aus, klopft an fremde Häuser und fragt die Bewohner nach ihrem kleinen Kätzchen. Durch die unendliche Trauer um Gattino kann Mary letztlich die lang verdrängte Trauer um ihren verstorbenen Vater verarbeiten und Gedanken über die schwierige Beziehung zu diesem Vater zulassen. Gleichsam verhilft ihr dieser Seelenschmerz, sich gedanklich mit den Geschwister Caesar und Natalia, derer sie sich eine Zeitlang angenommen und die sie einmal als ihre eigenen Kinder angesehen hatte, auseinanderzusetzen. Was bleibt und tröstet, sind am Ende die Erinnerungen, in denen alles Verlorene wieder lebendig wird und eine neue Klarheit. So wird Gattinos Verschwinden für Mary zum Ventil nicht aufgearbeiteter Lieben, einem Selbstfindungsprozess und neuen Perspektiven.

Mary Gaitskill wurde 1954 in Lexington, Kentucky geboren und lebt heute in Rhinebeck, New York. Ihre Erzählung „Secretary“ wurde von Steven Spielberg verfilmt.

Mary Gaitskill: Der verschwundene Kater.
Dörlemann, Februar 2014.
120 Seiten, Gebundene Ausgabe, 15,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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