Martin Simons: Jetzt noch nicht, aber irgendwann schon

Heute Mittag erreichte mich die Nachricht, dass die Frau eines meiner besten Freunde verstorben sei. Von Diagnose und Krankheitsverlauf war das irgendwann zu erwarten, aber trotzdem trifft Dich die Nachricht immer wie ein Hammer. Sofort fand ich mich wieder, denn meine Frau starb vor ziemlich genau neun Jahren. Sehr krank zwar – aber immer „plötzlich und unerwartet“.

Relativ schnell legt sich so eine Art „Welpenschutz“ über dich und du bist froh über die technokratischen Hürden, die jetzt zu bewältigen sind. Bestatter, Ämter, all der Scheiß. Einfach funktionieren! Gleichwohl hast Du von Anfang an das Gefühl, dass neben oder unter dir dieser große, schwarze, tiefe und undurchdringliche See liegt, der von nun an auch an Dir zerrt und dich zu verschlingen droht. Auch ich war schon auf dem Sprung. Ich kenne diesen Sog. Dein Job ist es nun, dem irgendwie zu widerstehen. Sei es durch therapeutische Begleitung oder der Sicherheit mit guten Menschen zu tun zu haben für die du sogar noch Verantwortung hast. Über allem liegt aber ein Thema: die Endlichkeit des Lebens!

Warum diese lange Einleitung? Parallel zu der obigen Nachricht lese ich, wenn es sich nicht so marktschreierisch anhören würde, ein sensationelles Buch zum Thema. Eben die Endlichkeit. Martin Simons ist der, der seine Erfahrungen beschreibt – ausgehend von einem seltsamen Blutgerinnsel, Aneurysma, oder ähnlichem im Hirn, welches bei ihm, grade Mitte 40 oder so, einen Schlaganfall auslöst. Seltsam deshalb, weil die Ärzte nicht so recht den Focus im Hirn finden. Trotzdem scheint die Therapie auf der stroke unit nach und nach anzuschlagen. Ruhe, Antigerinnungsmittel, Blutdrucksenker.

OK, bis hier hin mögen das viele Menschen erlebt und überlebt haben. Martin Simons nimmt uns aber mit in seine Gedankenwelt. Eben was das alles mit ihm macht. Er ist glücklicher Vater eines einjährigen Sohnes und liebt sein junge Frau Teresa. Die Zeit der Unbeweglichkeit im Krankenhaus, schärft seine Sinne und er geht mehr als einmal auf Reisen in sein Inneres. Das alles ist von einer beharrlichen und überzeugenden, ja schonungslosen Ehrlichkeit, dass einen mit ziemlich klammen Gedanken  und klein zurücklässt. Dieser Selbsterfahrungstrip ist einer, an dem jeder teilnehmen sollte – eben unter anderem indem er dieses Buch liest. Eine absolute Empfehlung. Für alle die, denen „der Sinn des Lebens“ nicht gleichgültig ist, die Verantwortung für sich und der Welt verspüren um eventuell auch am Ende (meinetwegen auch) des Lebens zu sagen, ich habe über alles nachgedacht und es war gut. Keine Diskussion: ein Muss!

Martin Simons: Jetzt noch nicht, aber irgendwann schon.
Aufbau Verlag, August 2019.
186 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.

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