Maria Adolfsson: Doggerland: Fester Grund

Karen Eiken Hornby hadert – mit sich, mit ihrem Alter, mit ihrer Kondition und mit Leo, ihrem „Untermieter“, mit dem sie ab und zu auch – rein freundschaftlich – ins Bett geht. Ein paar Monate ist der Einsatz her, den sie nur knapp überlebt hat, sie ist immer noch leicht lädiert und in ein paar Tagen steht der Gesundheitscheck bei der Polizei an. Ein nicht gerade beliebter Termin. Und dann ist da noch diese kleine Verhärtung in ihrer Brust, die sie beim Duschen entdeckt hat.

Leo hingegen strahlt. Die berühmteste Sängerin Doggerlands, der Kultstar Luna ist heimlich in die Heimat zurückgekehrt und hat sich ausgerechnet KGB Productions, das Studio seines Freundes Kore, für die Aufnahmen ihres Comeback-Albums ausgesucht. Er kennt Luna von früher und Karen ist sich sicher, dass zwischen den beiden etwas läuft. Leo scheint Luna zu vergöttern, Karen grummelt. Diese Frau ist nahezu perfekt – im Gegensatz zu ihr.

Plötzlich ist Luna wie vom Erdboden verschluckt. Nach einer Meinungsverschiedenheit mit dem Produktionsteam hat sie sich einfach in Luft aufgelöst. Niemand weiß etwas – weder Leo noch Billy, ihr persönlicher Assistent für ihre Zeit auf Doggerland, weder Lunas Ex-Ehemann, bei dem die Kinder derzeit sind, noch die Chefs des Studios. Karen geht der Sache nach, ohne viel Wind zu machen. Schließlich will man die Medien nicht aufscheuchen und Lunas Deckung auffliegen lassen. Und nichts deutet bisher darauf hin, dass sie gekidnappt wurde. Vielleicht war die Diva nur eingeschnappt und wollte ihre Ruhe haben? Karen ist zwiegespalten, wie viel Energie sie in die Suche stecken soll, denn ihre Kollegen sind mit einem anderen Fall beschäftigt: Der Kerl, der schon im vergangenen Jahr Frauen misshandelt und mit zerschlagenen Flaschen vergewaltigt hat, scheint wieder aktiv zu sein. Das aktuelle Opfer hat überlebt, kann eine Aussage machen. Stück für Stück setzt das Team um Karens Kollegen Karl Björken und ihren Chef Jounas Smeed die Indizien zusammen. Karen drängt es, die Kollegen zu unterstützen. Luna wird zur Nebensache.

Auch der dritte Band von Maria Adolfssons Doggerland-Reihe ist ein spannender Krimi, den ich kaum aus der Hand legen konnte. Nicht nur die Fälle, sondern auch Karens Privatleben haben mich gefesselt. Maria Adolfsson stellt eine fast 50-jährige, psychisch angeschlagene Ermittlerin in den Mittelpunkt ihrer Geschichten. Über alle drei Bände hinweg schafft es ihre Protagonistin, sich immer wieder aus ihren Tiefs zu kämpfen, ihre (körperlichen und seelischen) Verletzungen mehr und mehr zu verarbeiten und an Zuversicht zu gewinnen.

Dieses Mal steht nicht so sehr das fiktive Doggerland und seine Bevölkerung im Fokus. Es steht viel Persönliches für Karen Eiken Hornby auf dem Spiel. Doch Lunas Verschwinden und die Bearbeitung des anderen Falls zeigen wieder hervorragend, wie die relativ unspektakuläre Polizeiarbeit, die aus dem Erfassen von winzigen Details, aus Intuition und intelligenter Kombination besteht, in eine dramatische Geschichte umgesetzt werden kann.

Hilfreich ist es auf jeden Fall, die ersten beiden Bände „Doggerland: Tiefer Fall“ und „Doggerland: Fehltritt“ zu kennen, aber der Roman kann auch gut für sich stehen.

Wie die vorangegangenen Doggerland-Teile ist „Fester Grund“ ein typisch „nordischer“ Krimi: ruhig, abgründig, mit einer pessimistischen Grundstimmung, die es schafft, auch Hoffnung zuzulassen. Es geht um Fragen, die alle Menschen bewegen – um Freundschaft, um Liebe, um Familie, um Eltern-Kind-Beziehungen. Nicht immer einfach, oft kontrovers und bedrückend, aber ab und zu blitzen auch Glücksmomente auf.

Allen, die diese Art von Krimi mögen, kann ich auch „Doggerland: Fester Grund“ wärmstens empfehlen.

Maria Adolfsson: Doggerland: Fester Grund.
Ullstein, März 2021.
400 Seiten, Taschenbuch, 16,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.

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