M.R.C. Kasasian: Gower Street Detective 04: Die Geheimnisse der Gaslight Lane

1872 lebte und starb die Familie Garstang in ihrem Anwesen in der Gaslight Lane.

„… Die Garstangs hatten allen Grund anzunehmen, dass ihnen noch ein langes und gesundes Leben bevorstand. Sie hatten keinen Grund zu glauben, dass man sie wie Schweine abschlachten würde.“ (S. 9 E-Book) Mit ihnen starben drei ihrer Bediensteten sowie ihr Patensohn.

1883 geschieht im Haus der Garstangs erneut ein Mord. Dieses Mal trifft es wieder den Hausherrn, allerdings bleiben die Diener verschont. Dies erfahren March Middleton und ihr Patenonkel Sidney Grice, als sie von der Tochter und Erbin des Getöteten aufgesucht werden. Cherry Goodsmile glaubt nicht an die Ermittlungskünste der Polizei. Grice, der als persönlicher Ermittler berühmt ist, erhält von ihr den Auftrag, den Mörder ihres Vaters zu finden. Sidney Grice betrachtet das Besondere an diesem Mord als Herausforderung an seine Intelligenz. Zusammen mit seiner Assistentin March gehen sie den Fragen nach, wie konnte der Mörder in ein abgeschlossenes Gebäude und in ein verriegeltes Schlafzimmer eindringen, um den Hausherrn zu töten? Und wie war es ihm möglich, den Tatort bei abgeschlossenen Fenstern und mit von innen verriegelten Türen zu verlassen?

Der Autor Martin R.C. Kasasian begann nach einem bewegten Berufsleben in verschiedenen Sparten mit dem Schreiben. Sein 4. Fall von The Gower St. Detective im Stile der Agatha Christie wurde von Alexander Weber übersetzt und schenkt dem Leser eine Zeitreise in ein nebliges, vor Dreck starrendes London, in dem der Unterschied zwischen reich und arm viel mehr ausmacht als nur das Fehlen von Barmitteln.

March Middleton, die Gin, Zigaretten und einen Inspektor liebt, betrachtet durch das blassgelbe Schlafzimmerfenster ihrer Auftraggeberin eine Welt der Armut. „… In England wie in Indien hatte ich viel Armut gesehen, doch der Platz unter uns schien mir wie ein anderes Land. Kinder mit geschwollenen Bäuchen humpelten auf krummen Beinchen vorüber, kletterten auf etwas herum, das einem Kehrrichthaufen glich, die Frauen halb nackt, die Männer in altes Sackleinen gehüllt, mit seltsam kantigen Oberarmen, von denen gewölbte Ellbogen baumelten.“ (S. 142 E-Book)

Wer es in den Rang eines Dienstboten geschafft hat, darf sich glücklich schätzen. Doch dann stellt der Betroffene fest, dass der Dienstherr nicht nur weit über ihm steht, sondern auch ganzheitlich über die eigene Seele und den Körper bestimmt. Aber auch die reiche Erbin und Tochter des Mordopfers fürchtet ihre Unfreiheit, wenn sie March anvertraut, eine Verheiratung ähnel einer Versklavung: Sie ginge in den Besitz eines Mannes über und trüge dessen Namen. Sidney Grice steht intellektuell und dank seiner Vermögensverhältnisse weit oben in der sozialen Hierarchie. Und so redet er auch, überheblich, schlau, rücksichtslos und unreflektiert wie jemand, der vor nichts und niemanden Angst hat. Der Leser darf sich auf einen politisch unkorrekten Schlagabtausch in den Dialogen freuen und eine kurzweilige Geschichte, die Recht und Unrecht neu definiert.

M.R.C. Kasasian: Gower Street Detective 04: Die Geheimnisse der Gaslight Lane.
Atlantik, November 2019.
608 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.