Louis Greenberg: Die Bedrohung

Wir schreiben die nicht allzu ferne Zukunft. Die Welt hat sich von dem technischen Fortschritt abgewendet, das Internet, die Mobiltelefone, Überwachungskameras – das alles gibt es nicht mehr! Nur eine kleine Siedlung namens Green Valley hat sich gegen die so genannte Wende gestellt. Die Menschen hier sind mit ihren Avataren verkabelt und leben in einer virtuellen Realität. Die Polizistin Lucie Sterling ist verwundert, als sie (auf ihrem an der Wand befestigten Schnurtelefon) einen Anruf ihres Exmannes David erhält. Er berichtet ihr diffus, dass die gemeinsame Tochter Kira, die bei ihm lebt, verschwunden ist, ja, entführt wurde. Lucie ist sofort alarmiert, denn David und Kira leben nirgend anders als in Green Valley. Verbirgt das High Tech-Viertel vielleicht ein Geheimnis?

Luis Greenbergs Roman tut sich am Anfang schwer. Man lernt die Zukunftsvision kennen, die eigentlich in die Vergangenheit gehört. Weil die Menschen sich zu stark von IT-Unternehmen und Überwachungsstaaten kontrolliert gefühlt haben, haben sie jegliche elektronische Technik abgeschafft und sich rückbesinnt in eine Zeit etwa in den 1950er Jahren. Das verändert natürlich auch die Polizeiarbeit, der Lucie nachgeht, wieder maßgeblich. Green Valley wird mit misstrauischem Blick von allen beobachtet. Aber Genaueres weiß niemand. Denn der Zugang zu Green Valley ist streng limitiert und nicht jeder kann rein und raus wie er möchte. Als Lucie doch einen Einblick erhält und David besuchen kann, ist sie verwirrter als bisher.

Die erste Hälfte des Romans ist relativ langweilig gehalten, erst ab der Mitte nimmt er Fahrt auf – und dann gleich richtig. Als Leser oder Leserin ahnt man ab etwa besagter Mitte, was Sache ist und hat auch Ideen für die Beweggründe. Das nimmt die Spannung aber nicht raus, denn alles weiß man trotzdem nicht. „Die Bedrohung“ ist anfangs eher langweilig, wird dann aber deutlich besser.

Ein Manko holt der Autor, der auch Teil des Autorenduos S.L. Grey ist, die für weitere Zukunftsromane zuständig sind, allerdings nicht mehr auf. Seine Figuren bleiben allesamt sehr grau und farblos. Lucie beispielweise, aus deren Sicht ein Großteil der Handlung beschrieben wird, erzählt, dass sie ihre Tochter mit ihrem Exmann David nach Green Valley hat gehen lassen. Ihre Beweggründe dafür erfährt man erst im letzten Drittel des Romans und dann auch nur im Vorübergehen. Alle Figuren des Romans haben keine richtigen Konturen und bleiben blass. Ihnen fehlt eine Geschichte oder Details, mit denen sich Leser oder Leserinnen identifizieren können.

Dennoch ist „Die Bedrohung“ aufgrund der besagten guten zweiten Hälfte lesenswert für alle, die mal einen ganz anderen Zukunftsroman lesen möchten. Luis Greenberg weicht trotz der schwachen Figuren vom Schema X ab und hat einen etwas anderen Roman geschrieben, der sich nicht in Kategorien pressen lässt!

Louis Greenberg: Die Bedrohung.
Heyne, November 2018.
384 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

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