Lissa Evans: Miss Vee oder wie man die Welt buchstabiert

veeGroßbritannien, 1939: Der 10-jährige Noel lebt mit seiner in die Jahre gekommenen Patentante in London. Als sie verstirbt, muss er zu ihren Verwandten ziehen, denen nicht viel an dem neunmalklugen Jungen liegt. Jetzt ist es unausweichlich: Noel landet mit der Kinderlandverschickung im Londoner Umland und wird von der auf finanziellen Vorteil bedachten Vera, genannt Vee, in deren Familie aufgenommen. Außer der Mittdreißigerin leben noch ihr bereits erwachsener Sohn und ihre Mutter im Haushalt. Sie erhofft sich, durch den dümmlich aussehenden, leicht hinkenden Jungen weitere Geldzuwendungen von den Behörden. Doch die Sache mit Noel entwickelt sich ganz anders und bald muss Vee erkennen, dass Noel viele Talente hat, die auch ihr zugutekommen können.

Es entwickelt sich eine teils lustige Geschichte mitten im Weltkrieg. Vee hat die Idee, mit einer Spardose in den Londoner Vororten für erfundene gute Zwecke sammeln zu gehen und das Geld in die eigene Tasche zu stecken. Aber erst Noel, den sie einmal mitnehmen muss, verfeinert die Technik und bringt sie groß raus. Bald schwelgen sie im Geld und können sich manches, das vorher unerschwinglich war, leisten. Erst da erkennt Vee, worauf es wirklich ankommt.

Die Geschichte entwickelt sich sehr schwergängig, hat aber viele positive Wendungen und sogar Tiefgang im letzten Drittel. Die Erzählweise macht das Buch durchaus lesenswert. Noel hat viel mehr auf dem Kasten als es augenscheinlich ist. Damit verblüfft er immer wieder seine Mitschüler, Lehrer, aber auch vor allem Vee. Sie selbst denkt so selbstökonomisch und geizig, dass man zu heutigen Zeiten darüber wirklich nur schmunzeln kann. Abgerundet wird das schräge Bild durch ihren leiblichen Sohn, der einen Herzfehler hat und mit diesem Tauglichkeitsuntersuchungen beim Militär für Fremde fälscht, und ihrer Mutter, die Briefe an bekannte Politiker schreibt, um sich über Missstände zu beschweren.

Ein netter, aber nicht überragender Roman mit so manchem Glanzmoment, der sicher Leserinnen gefällt, die auf Bücher mit etwas schrägen Handlungen stehen.

Lissa Evans: Miss Vee oder wie man die Welt buchstabiert.
List, März 2015.
352 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18.00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.