Lisa Belkin: Show Me a Hero: Eine wahre Geschichte über Macht, Verrat und Gewalt

hero1988 veränderte Richter Sand die Stadt Yonkers, denn er forderte den Bau der schon lange zugesagten Sozialwohnungen ein. Dieses Mal sollten die Baugebiete in den Stadtbezirken der weißen Mittelschicht entstehen. Angestachelt von Meinungsmachern unterschiedlicher Couleur wollte jede gesellschaftliche Schicht und ethnische Gruppe unter sich bleiben. Die Bewohner befanden sich in einem Ausnahmezustand.
Als die Ratsmitglieder – wie gewohnt – den Neubau blockierten, eskalierte die Situation. Der Richter drohte mit gerichtlichen Auflagen. Bei einer weiteren Blockade der Baumaßnahmen würden Bußgelder fällig, die sich täglich verdoppelten.
Die meisten Amtsträger und ein großer Teil der Bewohner fassten diese Forderungen des Richters als Erpressung auf. Zur Routine gehörten Demonstrationen und Hasskampagnen, die ein normales Leben und Arbeiten für Jahre unmöglich machten.
Nick Wasicsko, der frisch gekürte Bürgermeister, wurde zum Ziel ständiger Kampagnen. Statt der erhofften Karriere als jüngster Bürgermeister der Geschichte in den USA stand er vor einem Scherbenhaufen. Denn die Verwaltung des Haushalts übernahm stellvertretend der »Emergency Financial Control Board«. Der drohende Bankrott führte zu zahlreichen Entlassungen. Familien verarmten.
Trotz aller Widerstände entstanden die ersten Reihenhäuser.
Einige Sozialhilfeempfänger glaubten, durch einen Umzug mehr Sicherheit für ihre Familie zu finden. Doch statt dessen erlebten sie Ausgrenzung und Ablehnung.
Für Hass, Wut und Rassismus schien es kein Gegenmittel zu geben.
Die Journalistin Lisa Belkin erzählt die wahren Ereignisse in Yonkers romanhaft und zugleich äußerst spannend. Aus der Sicht vieler Beteiligten setzt sie kunstvoll ein Puzzle zusammen, das die Komplexität von Vorurteilen und politischen Motiven offenlegt. Ob in Amerika oder woanders, überall findet man brennende Häuser, Hass und Angst. Die Mechanismen ähneln in erschreckender Weise.
Und am Ende?
»… die Mieter der Reihenhäuser leben in einer Blase … Sie sind immer noch Besucher in ihren neuen Nachbarschaften, und sie haben praktisch nichts mit den weißen Hausbesitzern zu tun, deren Welt zu verändern sie in den Osten geschickt worden waren. War es das, was Judge Sand sich vorgestellt hat, als er seine 657 Seiten Stellungnahme schrieb? Waren es zehn Jahre und 260 Millionen Dollar wert, damit zweihundert Familien in netteren Wohnungen leben und von ihren Nachbarn ignoriert werden konnten?« (S. 397)
Politik und menschliche Schicksale miteinander zu verknüpfen, ist eine Kunst. Erst recht, wenn sie bei einer kurzweiligen Lektüre den Horizont erweitert.
Danke.

Lisa Belkin: Show Me a Hero: Eine wahre Geschichte über Macht, Verrat und Gewalt.
Ullstein, März 2016.
448 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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