Kit de Waal: Die Zeit und was sie heilt

Die Britin Kit de Waal (Jahrgang 1960) war 2017 mit ihrem Debüt-Roman „Mein Name ist Leon“ sehr erfolgreich. Am 22. Januar 2019 ist  ihr zweiter Roman „Die Zeit und was sie heilt“ bei Rowohlt Hundert Augen in einer Übersetzung von Katharina Naumann erschienen.

In „Die Zeit und was sie heilt“ erzählt Kit de Waal die Geschichte der irischen Puppenmacherin Mona, die in einem englischen Ort am Meer einen kleinen Laden betreibt. Die Puppen werden von einem Tischler aus Holz hergestellt und Mona stattet sie mit Gesichtern, Kleidern und Accessoires aus, alles handgemacht. Sie hat Kunden auf der ganzen Welt. Aber es kommen auch Frauen, deren Babys tot geboren wurden und die sich eine Puppe machen lassen. Mona hat ein Talent, den traurigen Müttern Trost zu spenden. Sie selbst hat eine ähnlich traumatische Lebenserfahrung hinter sich. Monas Mutter verstarb früh und sie verließ Irland und ihren geliebten Vater Anfang der 1970er Jahre, um in England zu arbeiten. Mona verliebt sich in William, die beiden heiraten. Monas Schwangerschaft endet dramatisch. Die Ehe zerbricht, William wird psychisch krank und verschwindet aus Monas Leben.

Jetzt mit sechzig Jahren lebt sie allein in England, sie lernt einen Nachbarn kennen. Karl hat Interesse an Mona, sie treffen sich. Aber da ist auch der Tischler in seiner Werkstatt, zu dem es Mona immer wieder zieht. Und da klafft diese riesige Lücke in Monas Leben.

Mit Begeisterung habe ich Kit de Waals Erstling „Mein Name ist Leon“ gelesen, und so war ich sehr gespannt auf ihren zweiten Roman. „Die Zeit und was sie heilt“ kommt allerdings wesentlich schwächer daher. Das beginnt beim Buch-Cover mit seinem (kitschigen) Retro-Look. Dann wirkt die Vita der Hauptfigur Mona auf mich als Lesende künstlich hergestellt: eine Puppenmacherin mit einer therapeutischen Gabe? Herrje!

Und schließlich kann Kit de Waal sich nicht entscheiden, was sie erzählen will. Sie stopft zu viel in den Roman hinein: Monas Familiengeschichte, Monas Liebesgeschichte, Monas Tragödie, die traurigen Geschichten der Frauen mit ihren tot geborenen Babys, das Leben von Iren in England zu Zeiten des Nordirland-Konfliktes. Und wozu muss dann auch noch Karl, der Nachbar, so bemüht unsympathisch und schäbig sein, dass Mona sich auf gar keinen Fall in ihn verlieben kann oder warum um alles in der Welt bekommen Williams Tanten die Spitznamen Hungersnot und Pestilenz? Also, da hätte ich mir mehr Konzentration statt Vielfalt und Konstruktion gewünscht.

Kit de Waal kann erzählen. So beschreibt sie Monas Leiden so eindrücklich und intensiv, dass es mich tief berührt. Auch hat sie die eine oder andere überraschende Wende eingebaut, die der Geschichte gut tut. Nur das allein ist ungenügend, um aus „Die Zeit und was sie heilt“ einen überzeugend guten Roman zu machen. Schade!

Bleibt zu hoffen, dass Kit de Waals erster Roman „Mein Name ist Leon“ keine literarische Eintagsfliege bleibt.

Kit de Waal: Die Zeit und was sie heilt.
Rowohlt, Januar 2019.
400 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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