Kirstin Breitenfellner: Maria malt

Die Autorin beginnt die fiktive Biografie über Maria Lassnig mit einem wunderschön erzählten ersten Kapitel über deren frühe Kindheit. Maria „Riedi“ ist arm und oft hungrig, sie lebt als „lediges Kind“ bei der Großmutter. Manchmal muss sie zur Strafe auf einem Holzscheit knien, manchmal bekommt sie den Zutzel, damit sie still ist, einen zerknäulten Lappen, gefüllt mit Zucker und Alkohol. Sie weiß, manche Kinder, die zuviel zutzeln, werden davon dumm. Auch Riedi ist anders, sie mag nicht sprechen. Dafür kann sie zeichnen und malt das Haus ihrer Großmutter. Ihre Mutter ist schön, stark und klug, und nachdem sie einen Bäckermeister geheiratet hat, holt sie Riedi zu sich.

Diese Geschichte ist sehr berührend und ich habe beim Lesen erst einmal innegehalten, bevor ich weiter auf die Reise gegangen bin: Maria besucht die Wiener Akademie: „Die Tochter und Enkelin einer langen Reihe von unverheirateten und unterprivilegierten und überarbeiteten Frauen“ erhält ihr Hochschuldiplom, wird in Kärnten zum Provinzstar und verliebt sich in den „Widerspenstigen Wilden“ Arnulf Rainer. Die Künstlerpersönlichkeiten inspirieren sich gegenseitig in der Nachkriegszeit, werden dann zu Konkurrenten, die sich unterschiedlich gut im Kunst-„Betrieb“ durchsetzen können. Kurz: Arnulf verkauft, Maria malt.

Die Männer, die sie umgeben, ziehen auf die eine oder andere Weise zunächst an ihr vorbei, sie „stehen im Licht und kämpfen mit den Dämonen der Vergangenheit, einem weiteren verlorenen Krieg und den ihn begleitenden Gräueln, die […] im Schutt und in der Asche des Verleugnens vergraben und seitdem nicht wieder ans Licht gezogen wurden.“ Sie „klammern sich an die Reste von Unterscheidbarkeit von den Frauen.“ Maria zieht nach Paris und New York, wird bekannt als Malerin, Grafikerin und Medienkünstlerin.

Die Erzählung ihrer persönlichen Lebensgeschichte und der als Künstlerin lassen viele Orte und Namen in einem eindringlichen Fluss auf den Leser niederregnen: das Café de Flore, Paul Celan, Ernst Fuchs, Sartre, Beauvoir, Picasso, Man Ray, Maria Bijou-Bilger, Susanne Wenger … man kann sich ein wenig darin verlieren und gleichzeitig den Hauch der Geschichte spüren.

Ihre Familiengeschichte, ihre Liebe, ihr Chancen und Niederlagen im Kunstbetrieb („Wenn ein Mann heiratet, dann um seine Kunst zu finanzieren. Wenn eine Frau heiratet, dann um ihre Kunst aufzugeben“) beschreibt die Autorin nicht nur im Spiegel der Zeit, sondern ermöglicht eine intensive Beziehung zu Leben und Werk der Künstlerin.

Besonders eindrücklich ist das Buch, wenn Marias Bilder beschrieben werden, so gleich im Prolog und zum Ende des Buches; ich habe ihre Bilder gegoogelt und bin fassungslos, dass in Deutschland (oder nur in meinem Bewusstsein?), ganz anders als in Österreich, diese wahnsinnig eindrucksvollen Gemälde nicht bekannt sind.

Maria Lassnig wurde am 8. September 1919 in Kappel am Krappfeld in Kärnten als Maria Eleonora Gregorc geboren und starb am 6. Mai 2014 in Wien.

Absolute Leseempfehlung!

Kristin Breitenfellner: Maria malt.
Picus Verlag, August 2022.
464  Seiten, Gebundene Ausgabe, 28,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Corinna Griesbach.

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