Kilay Reid: Such a Fun Age

Zwei Welten prallen aufeinander. Die dunkelhäutige Babysitterin Emira wird von einer Party zu einem nächtlichen Noteinsatz gerufen. Eine Scheibe ist zu Bruch gegangen, die weiße Alix möchte ihr Kind einfach aus dem Chaos heraushaben. Emira geht mit dem Kind wie so oft in den Supermarkt. Nachts. In Amerika. Eine farbige, zur Party gestylte Frau (ja, auch leicht angetrunken) mit einem weißen Kind an der Hand. Das geht (natürlich) nicht gut. Emira muss sich gegen den Vorwurf wehren, das Kind entführt zu haben, gerät mit dem Wachpersonal aneinander und muss schließlich den Vater zu Hilfe rufen („Er ist ein weißer alter Mann.“, herrlich). Das ist aber nur der Anfang der Geschichte.

Weder Emira noch Alix sind mit ihrem Leben zufrieden. Emira lässt sich mit Hilfsjobs treiben und möchte doch so gerne im Leben ankommen, wie all ihre Freundinnen. Alix bereut den Umzug aus New York, auch wenn sie theoretisch ihren Job auch von außerhalb machen könnte. Ihr Job ist, zu bekommen was sie will und anderen Frauen beizubringen, wie sie genau das erreichen. Klingt modern, ist es auch. Nur dass Alix sich außerhalb von New York langweilt. Das trägt auch dazu bei, dass sie ihren gesamten Ehrgeiz darauf ausrichtet, Emira zu helfen. Die gar keine Hilfe will, jedenfalls nicht die von Alix. Dazu kommt auch noch eine komplizierte Liebesgeschichte mit einem Mann, den beide kennen.

Alix möchte so verzweifelt gerne das Richtige tun, dass ihr Bemühen darum nicht rassistisch zu sein fast schon wieder rassistisch ist. Das ist es vermutlich, um das es Kilay Reid in ihrer Geschichte geht. Rassismus ist zweifelsohne ein gesellschaftliches Problem, aber es nur zu sehen reicht nicht immer aus. Alix ist wirklich schockiert über das, was Emira in diesem Supermarkt widerfahren ist, aber sie ständig zu bedrängen, ihr Leben zu ändern hilft nicht wirklich weiter. Das ist nur eine andere Form von Rassismus, wobei die Autorin relativ offenlässt, ob das Problem dabei wirklich Emiras Hautfarbe ist oder doch eher ihre Lebensweise und inwieweit das eine das andere bedingt. Das ist auch gut so, denn der Leser soll selbst denken.

Die Situation eskaliert, als das Video von dem Vorfall im Supermarkt anonym veröffentlich wird. Da die Geschichte aus beider Sicht erzählt wird, weiß der Leser, warum Alix jetzt viel zu weit geht, er versteht aber auch Emiras Reaktion. Das ist die große Stärke dieses Buches, dass es sich bemüht, beiden Seiten gerecht zu werden. Denn Alix ist nicht böse, sie versteht nur manches nicht. Und Emira ist nicht dumm, sie möchte nur manches nicht.

Fazit: ein grandioser Roman über Rassismus, Klassenunterschiede und dem bösen Scheitern von guten Absichten, auf beiden Seiten.

Kilay Reid: Such a Fun Age.
Aus dem Englischen übersetzt von Corinna Vierkant.
Ullstein, Mai 2021.
352 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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