Kerstin Campbell: Ruthchen schläft

Ein Buch genau nach meinem Geschmack. Denn es sind vor allem die charaktergetriebenen Geschichten, die ich mag. Die Geschichten, in denen die Figuren, möglichst sonderliche Sonderlinge, die Handlung vorantreiben. Dabei sind es dann gerade die Schrullen, die Macken und Ticks, die diese Protagonisten so liebenswert machen.

Ein solcher liebenswerter Charakter ist Georg. Seine langjährige Freundin Linda hat ihn verlassen, eineinhalb Jahre ist das jetzt her und noch immer wartet er auf ihre Rückkehr. All ihre Sachen befinden sich unverändert in seiner Wohnung. Georg lebt in seinem eigenen, vom Großvater ererbten Mietshaus. Seine Mieterin Frau Lemke ist für ihn gleichzeitig die wichtigste Bezugsperson, seit seiner mehr als problematischen Kindheit.

Frau Lemke nun soll auf Wunsch ihres Sohnes Wolfgang zu diesem nach New York umziehen. Sie möchte das zwar nicht, wagt aber gleichzeitig nicht, sich diesem Wunsch zu widersetzen. So lautet die Vereinbarung: solange ihre Katze Ruthchen noch lebt, wird sie in Berlin in ihrer Wohnung bleiben. Nur dann segnet Ruthchen das Zeitliche und sowohl Frau Lemke wie auch Georg suchen verzweifelt nach einer Lösung.

Diese Lösung führt Georg zur Tierpräparatorin Caro, die dafür sorgt, dass Ruthchen weiter wie lebendig auf Frau Lemkes Sofa schlafen kann. Das wiederum hält jedoch Wolfgang nicht davon ab, seine Mutter zu terrorisieren. Während also Georg versucht, den Umzug von Frau Lemke irgendwie abzuwenden und über die wirklichen Lebensverhältnisse von Wolfgang recherchiert, bejammert sein ältester (und einziger) Freund Kai seine familiäre Situation, mit fordernder Frau und kleinem Kind.

Derweil kommen sich Georg und Caro langsam näher. Oder vielmehr kämen, wären da nicht all die Hinterlassenschaften von Linda in Georgs Wohnung, die Zeugnis davon ablegen, dass er entgegen jeder Wahrscheinlichkeit immer noch davon ausgeht, dass sie zurückkommt.

Schließlich überschlagen sich die Ereignisse, ein Löwe wird präpariert, Babys werden erwartet, Wohnungen durchsucht. Frau Lemke flüchtet, Georg räumt auf und auch Kai findet eine Lösung für seine verwickelte Familie.

Ein richtiges Wohlfühlbuch, mit Figuren, denen man gerne im echten Leben begegnen möchte. Mit einer berührenden Handlung, die bei aller Warmherzigkeit realistisch bleibt. Dabei thematisiert die Autorin, ohne zu dick aufzutragen, auch vor allem die Einsamkeit alter Menschen, die Abhängigkeit, in die sie schließlich meist geraten. Gleichzeitig zeigt sie aber auch, welch wundervolle, dabei so einfache Lösungen es gibt, wenn man nur miteinander redet und aufeinander achtet.

Ein Buch, das man empfehlen muss. Gerne möchte ich mehr von dieser Autorin lesen.

Kerstin Campbell: Ruthchen schläft.
Oktopus bei Kampa, März 2021.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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