Karen Duve: Sisi

Einen Roman über „Sisi“, Kaiserin von Österreich-Ungarn, zu schreiben, ist eine mutige Sache. Karen Duve hat sich dieser Herausforderung gestellt, unzählige Originaldokumente durchforstet und eine unglaublich akribische Recherche betrieben. Das hat sich gelohnt. Insbesondere drei Personen stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Zum einen ist das Elisabeth selbst, strahlendes Zentrum des Geschehens. Des Weiteren ihre Nichte Marie Louise Baronesse Wallersee, fast genauso schön, genauso schlank und eine besessene Reiterin wie ihre Tante. Außerdem gibt es noch die Hofdame Marie Festetics. Sie verehrt Elisabeth abgöttisch. Es geht viel ums Reiten und um die Jagd in diesem Buch. Beides von Elisabeth tatsächlich exzessiv betrieben. Es wird skizziert, wie skrupellos sie ihre unvergleichliche Schönheit einsetzt, wie sie Ehen arrangiert, die ohne Widerspruch eingegangen werden müssen und wie sie dabei sogar ihre eigene Tochter Gisela verschachert. Ihre Angst vor dem Alter ist ein ständiges Thema und die Beziehung zu Franz Joseph, der alle ihre Eskapaden bezahlt. Elisabeth wird suggestiv, manipulativ und absolut empathielos gezeichnet.  Ihr Wille ist Befehl.

Die Hofdame Marie Festetics hängt dennoch mit einer derart pathologischen Liebe an ihrer Herrin, dass sie das eigene Glück hintanstellt, eine vielversprechende Ehe ausschlägt und alles tut, um nicht in Ungnade zu fallen und in Elisabeths Nähe bleiben zu dürfen. Auch die junge Marie Louise Wallersee ist gefesselt von ihrer Tante. Elisabeth ist im beschriebenen Zeitraum 36 Jahre alt und teilt mit der 19-jährigen, gertenschlanken Nichte die hautengen Reitkleider. Dass sie für Elisabeth aber nur ein Zeitvertreib ist, ein Spielzeug, bemerkt diese erst viel zu spät. Nur ganz wenige Menschen vermögen die Kaiserin zu fesseln. Jene, die zu Pferd mit ihr mithalten können und die ihr Paroli bieten. Wer und wie Elisabeth wirklich war, darüber haben sich Heerscharen an Historikern schon die Köpfe zerbrochen. Von herzlich, zuvorkommend und engelsgleich bis verschlagen, bodenlos egoistisch und kalt lässt sich alles über sie lesen. Karen Duves Einblick in die Welt der europäischen Hocharistokratie im ausgehenden 19. Jhdt. trifft meiner Meinung das damalige Zeitgefühl ziemlich genau. Man verliert in der Vielzahl der Personen auch nie den Überblick. Das Personenregister spannt sich von hochadeligen Verwandten, Hofdamen und Kammerzofen über Elisabeths Jagdkollegen bis hin zur heimlichen Geliebten des Kaisers Anna Heuduck.

Dieses Buch ist ohne Frage ein Roman, aber es liest sich fesselnd wie ein Tatsachenbericht.

Karen Duve: Sisi.
Galiani Berlin, September 2022.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 26,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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