Joseph Stieglitz: Reich und Arm: Die wachsende Ungleichheit in unserer Gesellschaft

Reich und Arm von Joseph StiglitzBereits mit seinem Bestseller „Der Preis der Ungleichheit“ hat sich der Autor mit der Spaltung unserer Gesellschaft in Reiche und Arme auseinandergesetzt.
In der Textsammlung „Reich und Arm“ analysiert Stieglitz, dass diese Ungleichheit kein Schicksal ist, sondern die Folge politischer Entscheidungen.
So kritisiert Stieglitz von Beginn seiner Analysen George W. Bush, dessen Reichtumspflege durch Steuerentlastung und Deregulierung in einer Monopol-Marktwirtschaft.

Der vorliegende Sammelband ist durch Kapiteleinteilungen strukturiert und daher mehr als eine Sammlung, sondern ein durchgängig zu lesendes, gut gegliedertes Sachbuch. Außerdem gibt es Einführungen zu den jeweiligen Kapiteln, die bereits publizierten Aufsätze sind aktualisiert.
So nimmt der Autor beispielsweise Bezug auf Thomas Pikettys „Das Kapital im 21. Jahrhundert“.

Die Schwerpunkte seiner Analyse – Dimension, Ursachen, Folgen – münden in der Frage, ob Marktwirtschaften, die auf Wettbewerb aufbauen, soziale Spaltung notwendig zur Folge haben oder ob diese Spaltung innerhalb des bestehenden Systems rückgängig gemacht werden kann.
Ging Stieglitz in seiner Dissertation (1966) noch davon aus, dass Wirtschaftswachstum und soziale Ungleichheit zusammen gehören, aber in einem gewissen Gleichgewicht blieben, kommt er nun zu dem Schluss, dass vor allem Erbschaften das Arm-Reich-Gefälle größer werden lassen. Er nennt das „Reproduktion der Reichen“.
Als Ursachen sozialer Spaltung beschreibt Stieglitz Arbeitslosigkeit, Niedriglohn, Steuergeschenke an Reiche, das Auffangen der Verluste der Finanzwirtschaft durch die Gesamtbevölkerung.

Die moderne Marktwirtschaft vergleicht Stieglitz mit der Plutokratie. Es sorgten die wenigen Reichen durch die Kraft weniger Reicher für die Reichen. Dies sei keine Möglichkeit für die Armen, aus der Armut aufzusteigen in die Mittelschicht. Dabei bezieht er sich auch kritisch auf das Rossäpfel-System (Kenneth Galbraith): Wenn die Rösser gutes Futter bekommen, profitieren die Spatzen von guten Rossäpfeln.

Eine Folge der Spaltung der Gesellschaft zeigt Stieglitz auch in den ungleichen Bildungschancen reicher und armer Menschen.

Stieglitz` Analysen beziehen sich auf die USA, allerdings sind die beschriebenen Ursache-Wirkung-Mechanismen für alle Marktwirtschaften aufschlussreich.
Das Buch kann von interessierten Laien gut gelesen werden, wer VWL oder BWL studiert, hat das Buch bereits auf dem Schreibtisch liegen.

Ein Sachbuch, das in seiner Umfänglichkeit und klaren Strukturiertheit auch „in kleinen Dosen genossen“ für alle Interessierte aufschlussreich ist.

Joseph Stieglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford und Wirtschaftsberater der Clinton-Regierung. 2001 erhielt er den Nobelpreis für Wirtschaft.

Joseph Stieglitz: Reich und Arm: Die wachsende Ungleichheit in unserer Gesellschaft.
Siedler Verlag, September 2015.
512 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Corinna Griesbach.

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Ein Kommentar zu “Joseph Stieglitz: Reich und Arm: Die wachsende Ungleichheit in unserer Gesellschaft

  1. Nachwuch droht Gehalt auf Hartz-4-Niveau

    Ende der Wohlstands-Ära: Die Jungen werden ärmer als ihre Eltern

    http://www.stern.de/wirtschaft/geld/mckinsey-studie–die-jungen-werden-aermer-als-ihre-eltern-6971346.html

    oder auch ganz lecker: Verarmung als Megatrend – siehe auch: https://www.berlinjournal.biz/verarmung-kinder-aermer-als-eltern/

    Laut Politik müsse man sich „integrieren“ (nach Definition der Politik was das denn angeblich sei). Dazu braucht es in der heutigen Zeit üppige Geldmittel, die die meisten Leute, die angeblich „nicht integriert“ sind (auch sehr viele Deutsche), gar nicht aufbringen können.

    Auf einen Zusammenhang stieß die britische Soziologin Marii Peskow in der European Social Survey (ESS): Demnach sei die Bereitschaft zur Wohltätigkeit in egalitären Gesellschaften deutlich schwächer ausgeprägt, als in solchen mit großen Einkommensunterschieden. Die Erklärung dafür liege im sozialen Statusgewinn, den Wohlhabende in ungleichen Gesellschaften erfahren würden, wenn sie Schwächere unterstützten. In egalitären Gesellschaften herrsche hingegen das Bewusstsein vor, dass dank des Sozialstaats für die Schwachen schon gesorgt sei.

    Faulheit gilt in den westlichen Industrienationen als Todsünde. Wer nicht täglich flott und adrett zur Arbeit fährt, wer unbezahlte Überstunden verweigert, lieber nachdenkt als malocht oder es gar wagt, mitten in der Woche auch mal bis mittags nichtstuend herumzuliegen, läuft Gefahr, des Schmarotzertums und parasitären Lebens bezichtigt zu werden.

    Nein, stopp: Nur die armen Arbeitslosen fallen in die Schublade »Ballastexistenz«. Millionenerben, Banker- und Industriellenkinder dürfen durchaus lebenslang arbeitslos und faul sein. Sie dürfen andere kommandieren, während sie sich den Bauch auf ihrer Jacht sonnen.

    Früher glaubten viele Menschen an einen Gott. Wie viele heute noch glauben, da oben säße einer, der alles lenke, weiß ich nicht. Das ist auch egal. Gottes ersten Platz hat im modernen Industriezeitalter längst ein anderer eingenommen: Der »heilige Markt«. Der Finanzmarkt. Der Immobilienmarkt. Der Energiemarkt. Der Nahrungsmittelmarkt. Und der Arbeitsmarkt.

    Der Arbeitsmarkt ist, wie der Name schon sagt, zum Vermarkten von Arbeitskraft da. Wer kein Geld und keinen oder nur sehr wenig Besitz hat, verkauft sie. Die Eigentümer der Konzerne konsumieren sie, um daran zu verdienen. Das geht ganz einfach: Sie schöpfen den Mehrwert ab. Sprich: Der Arbeiter bekommt nur einen Teil seiner Arbeit bezahlt. Den Rest verrichtet er für den Gewinn des Unternehmers.

    Arbeit verkaufen, Arbeit konsumieren: So geschieht es seit Beginn der industriellen Revolution. Denn Sklaverei und Leibeigenschaft wurden ja, zumindest auf dem Papier, abgeschafft.

    Solange Furcht vor Strafe, Hoffnung auf Lohn oder der Wunsch dem Über-Ich zu gefallen, menschliches Verhalten bestimmen, ist das wirkliche Gewissen noch gar nicht zur Wort gekommen. (VIKTOR FRANKL)

    Die Todsünde der Intellektuellen ist nicht die Ausarbeitung von Ideen, wie fehlgeleitet sie auch sein mögen, sondern das Verlangen, diese Ideen anderen aufzuzwingen (Paul Johnson)

    Der Teufel hat Gewalt, sich zu verkleiden, in lockende Gestalt… (Shakespeare)

    Das Heimweh nach der Barbarei ist das letzte Wort einer jeden Zivilisation (Cioran)

    Alle Menschen sind klug – die einen vorher, die anderen nachher (Voltaire)

    Die Gefahr ist, dass die Demokratie zur Sicherung der Gerechtigkeit für diese selbst gehalten wird (Frankl)

    Absolute Macht vergiftet Despoten, Monarchen und Demokraten gleichermaßen (John Adams)

    Moral predigen ist leicht, Moral begründen schwer (Schopenhauer)

    Unser Entscheiden reicht weiter als unser Erkennen (Kant)

    Denn mancher hat, aus Furcht zu irren, sich verirrt (Lessing)

    Die Augen gingen ihm über, so oft er trank daraus… (Goethe)

    Immer noch haben die die Welt zur Hölle gemacht, die vorgeben, sie zum Paradies zu machen (Hölderlin)

    So viele Gefühle für die Menschheit, dass keines mehr bleibt für den Menschen (H. Kasper)

    „Die Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden“ (Helmut Schmidt)

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