John Williams: Augustus

augustusDie Geschichte

…. von Octavius, dem späteren Augustus, könnte ein Märchen sein. Er wird von seinem Onkel, Julius Cäsar, adoptiert, und die ganze römische Welt scheint ihm zu Füßen zu liegen. Doch dann wird Julius ermordet. Es ist ein Mord, hinter dem eine politische Verschwörung im großen Stil steckt. Zu diesem Zeitpunkt ist Octavius 19 Jahre alt, kränklich, schmächtig, jemand, dem die Philosophen mehr liegen als der Kampf und das Schwert.

»… Der Junge, der die Zukunft nicht kennt, hält das Leben für eine Art episches Abenteuer, eine Odyssee über fremde Meere und unbekannte Inseln, auf der er seine Kraft erproben und beweisen kann, um so seine Unsterblichkeit zu entdecken.« (S. 400)

Die Realität sieht anders aus. Traditionell müssen die Erben eines verstorbenen Herrschers mit einem plötzlichen und unfreiwilligen Ableben rechnen. 

Octavius zieht mit seinen Freunden in Richtung Rom. Als Cäsars Nachfolger kehrt er ohne schützende Armee zurück, um zu trauern. Weil man ihn für harmlos hält, geht die Finte auf. Zur gleichen Zeit wird der Inhalt des Testaments bekannt. Jeder römische Bürger soll ein Geldgeschenk erhalten und Octavius die Herrschaft übernehmen. Nun nennt ihn jeder Cäsar. Doch dann findet er heraus, dass sein Titel keinen Wert hat. Er ist der neue Cäsar, dem das Vermögen des Verstorbenen vorenthalten wird und der weder Feind noch Freund kennt. Zugleich lebt er in einem mordlüsternen Reich, in dem jeder Mächtige mit Gewalt nimmt, was ihm gefällt.

Der Autor …

,,, John Williams (1922-1994) erhielt nach seinem Erfolgsroman »Stoner« für seinen Briefroman »Augustus« 1973 den National Book Award. Insgesamt veröffentlichte er zwei Gedichtbände und vier Romane. Nachdem er in englischer Literatur promovierte, lehrte er von 1954 bis 1985 in Denver »writing program«.

Im Roman …

… erzählt John Williams, auf welche Weise Octavius Allianzen gründet, die Rädelsführer eliminiert, die Herrschaft über Rom gewinnt und schließlich in seinen Händen behält. Geschickt hat John Williams Briefe, Notizen und Berichte zu einer chronologischen Erfolgsgeschichte aufgebaut. Gleichzeitig verleihen die fiktiven Aussagen realer Zeitzeugen dem Briefroman ein großes Maß an Authentizität. Nicht umsonst erklärte der Autor immer wieder, allein den dramaturgischen Aspekten gefolgt zu sein. Viele Details stärken den Eindruck von Genauigkeit und penibler Recherche. Darüber hinaus lassen sich aus den Mechanismen der Politik Parallelen zu aktuellen Ereignissen ziehen, auch wenn heute der politische Mord eher medial zelebriert wird.

Der erste Teil beschreibt Octavius Aufstieg und seine persönlichen Opfer, die mit einem Machterhalt einhergehen. Ob es die eigenen nützlichen Eheschließungen sind oder die Verheiratung seiner geliebten Schwester oder Tochter.

»… In den Kreisen, in denen Du verkehrst …, gilt die Kopulation heute als ein Akt, durch den man Macht erlangt, sei es gesellschaftliche oder politische Macht; ein Ehebrecher kann gefährlicher als ein Verschwörer sein …« (S. 291) schreibt Horatius an Octavius Cäsar 17 v. Chr..

In den Berichten der Zeitzeugen sind mitunter auch Dialoge eingebaut, die den Roman noch lebendiger gestalten.

Im zweiten Teil kommt seine Tochter Julia zu Wort, die in dritter Ehe mit ihrem verhassten Stiefbruder verheiratet worden ist. Sie erzählt von ihrem emanzipierten Leben im dekadenten Rom.

Im kurzen dritten und letzten Teil schreibt Augustus an seinen Freund und Dichter Nikolaos über sein erfolgreiches, und vielleicht folgenloses Leben. Er könnte Stolz und Genugtuung empfinden. Doch seine Erkenntnisse gehen tiefer. War der Preis für sein öffentliches Lebenswerk zu hoch, wenn er nie er selbst sein durfte? Auch die eigene Familie wurde für ein friedliches, reiches Rom geopfert. Je mehr Octavius in das Zentrum der Macht vordringt und zugleich Stück für Stück sein privates Leben verliert, um so mehr verändert sich auch sein Name. Als Gaius Octavius Thurinus wird er 63 vor Christus geboren und als Cäsar Augustus starb er 14 nach Christus.

Der Dichter Nikolaos schreibt: »… Wenn ich Rom verlasse, dann mit Trauer und Liebe im Herzen – und ohne Ärger, Vorwurf und Enttäuschung. … Denn Octavius Cäsar ist Rom, und das ist vermutlich die Tragik seines Lebens.« (S. 349)

Im Hörbuch

augustus2… lebt John Williams ungekürzte Fassung des Romans von den zahlreichen Perspektiven seiner Zeitzeugen. Deshalb liegt der Schwerpunkt nicht in einer speziellen Charakterzeichnung, sondern in den Intrigen und Ränkespielen der Kontrahenten. Eine Auswahl von Octavius Wegbegleitern und Gegnern wird von 36 hervorragenden Sprecherinnen und Sprechern lebendig. Sie betonen das tödliche Katz- und Mausspiel der politischen Gegner und deren Gefühle. Überschwängliche Liebesbeteuerungen werden elegant gesprochen, ohne kitschig zu wirken. Schachtelsätze sind angenehm hörbar und verständlich durch Sprechpausen, Betonung der Schlüsselsätze und dezenten Vortrag schmückender Aufzählungen. Abwechslungsreich baut sich der Machtkampf und damit auch der Spannungsbogen auf. Ironische, schicksalhafte Wendungen, wenn aus Jägern Gejagte werden, ziehen den Hörer schnell in ihren Bann.

Der immense Produktionsaufwand hat sich gelohnt. Wer den Hörgenuss startet, könnte das Drücken der Stopp-Taste bedauern.

Fazit:  Die Lektüre des Romanes erlaubt unterschiedliche Projektsionsflächen und Lesarten, während das Hörbuch bei der Orientierung hilft.

Wenn die Zeitzeugen in ihren unterschiedlichen Stimmfarben erzählen, wird hörbar, wie der Autor die Charaktere angelegt haben könnte.

Das wunderbar gelungene Hörbuch dürfte dank der Regie, der Sprecherinnen und Sprecher viele Hörbücher in den Schatten stellen.

Gleichzeitig zu hören und zu lesen, wäre das Optimum für einen fulminant geschriebenen Roman.

John Williams: Augustus.
dtv, September 2016.
480 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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2 Kommentare zu “John Williams: Augustus

    • da ich ein buch in printform bevorzuge würde ich auch lieber nur ein richtiges gebundenes buch bevorzugen!
      Also in diesem Fall mir das Buch auf die Wunschliste setzen 😉

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