Joe Abercrombie: Die Klingen-Saga 01: Zauberklingen

Lang ist sie vorbei – die Zeit der blutigen Kämpfe, die Zeit der Helden, die Zeit, da die Union ihre Grenzen immer weiter verschoben hat. Die alten Recken, viele davon gefürchtete Schlächter, sind entweder tot, oder sie siechen, alt und verbraucht, dahin.

Eine neue Zeit ist angebrochen. Eine Zeit, die nicht weniger brutal ist, die beileibe nicht weniger Menschenleben kostet, als die gute Alte. Nicht länger werden die Konflikte auf den matschigen Schlachtfeldern der Ehre – oder was man dafür hielt – sondern in den aufstrebenden Städten, in denen die Fabrikschornsteine in den Himmel ragen, in denen der Qualm allgegenwärtig, die Flüsse verdreckt und die Schwindsucht unübersehbar sind, ausgetragen. Das moderne Zeitalter ist angebrochen, eine Ära um Karrieren, um Reichtümer zu machen, auch wenn dies auf Kosten der Gesundheit von Kindern und Schwachen geschieht – was solls.

Nun, so ganz stimmt das nicht, schließlich sind die Nordmänner und Frauen weiterhin in ihrem kargen, kalten Land zu haus und pflegen ihre blutigen Animositäten. Dies ist die Geschichte von drei Menschen – Abkömmlinge bekannter Helden, die auf der Jagd nach ihrem ganz persönlichen Glück sind.

Leo dan Brok, Thronerbe und nichtsnutziger Sohn des Herrschers träumt davon, Ruhm zu ergattern. Sein Vater ist pleite, das Reich gehört de facto der Bank. Um seinen Traum sich als Heerführer im hohen Norden auf den Schlachtfeldern einen Namen zu machen in Erfüllung gehen zu lassen, lässt er seine amourösen Beziehungen spielen – Lady Savine die erfolgreichste Geschäftsfrau des Reiches leiht ihm das Geld um die Prinzentruppe, 5000 gerüstete Krieger aufzustellen. Dumm nur, dass es just bevor er gen Norden aufbrechen will zu einem Arbeiteraufstand kommt – und er der einzig verfügbare Mann ist, der die Soldaten besitzt, um die Rebellion niederzuschlagen …

Lady Savine, Tochter Sand dan Gloktas ist nicht nur Geldgeberin des Thronprinzen sondern auch die geschäftstüchtigste Unternehmerin der Reiches. Mit ihren jungen Jahren hat sie bereits mehr Vermögen gemacht, als Dutzende der so gepriesenen Handelsherren, intrigiert, paktiert und investiert mit harter, versierter und erfolgreicher Hand. Dass sie just, als es zum Aufstand kommt, in am Produktionsstandort weilt bringt ihre Pläne zur Gewinnmaximierung und ihre Fortschrittsgläubigkeit ein wenig aus der Bahn …

Der Hundsmann hat eine Tochter. Nun wäre dies nicht wirklich bedeutsam, doch Rikke wird von Visionen geplagt – Anfälle, die ihr Hinweise auf die Zukunft vermitteln – die diese sieht wahrlich nicht rosig, sondern eher blutrot aus …

Der neue Klingenroman, immerhin bereits der achte Titel, den der Autor in seiner martialischen Fantasy-Welt abgesiedelt hat, erwartet seine Leser. Und Abercrombie weiß, dass er seinen Fans etwas Neues bieten muss. Nicht allzu viel Neues, versteht sich, doch die Geschichten der alten Helden, sie sind erzählt. So setzt er eine neue, junge Generation ins Zentrum des Geschehens, lässt ein paar der altbekannten Figuren am Rande in Erscheinung treten, konzentriert sich aber gekonnt darauf, seine Handlug in eine neue Zeit zu transferieren.

Eine Zeit, in der der ungezügelte Merkantilismus seine schlimmsten Austriebe zeitigt, in der die Landbevölkerung aus Hunger und Not in die Städte flüchtet, Menschenkraft billig und leicht ersetzbar ist. In den Fabriken arbeiten Kinder ohne Bezahlung nur für – wenig – Essen, bis sie entkräftet umfallen und durch die nächsten Kinder von der Straße ersetzt werden. Hier richtet der Autor ein sehr scharfes Auge auf soziale Missstände, auf Arbeiterbewegungen, die von denen, die daran verdienen gnadenlos bekämpft werden. Er berichtet uns von ersten gewerkschaftsähnlichen Vereinigungen, aber auch von der Macht und dem Aufstreben des Geldadels, der die bisher herrschenden Noblen ablöst.

Mit Lady Savine nimmt er sich dem Thema der Emanzipation auf sehr eigene Art an. Klar ist aber hier auch, dass der Name und die Furcht vor dem Krüppel Glokta ihr hier Brücken baut, Türen öffnet und Chance ermöglicht. Doch ist ist ein ganz eigener, starker Charakter, weiß sich zu bewegen, zu platzieren und Einfluss zu nehmen.

Es wird weniger gekämpft in diesem neuen Klingenroman, was aber beileibe nicht heißt, dass weniger Blut fließen würde. Gestorben wird gewohnt dreckig, die Auseinandersetzungen werden verbissen und voller Hass geführt – also genau das, was man bei und von einem Abercrombie erwartet.

Die Transformation zu einer neuen Generation ist gelungen. Nicht nur, dass der Autor seine Welt in sich glaubwürdig fortentwickelt hat, er hat neue Schlachtfelder gesucht und gefunden, hat frische Protagonisten aufgetan und leiden lassen. So gesehen hat er die Gritty Fantasy von dem dreckigen Schlachtfeldern hin in die Fabriken geführt.

Joe Abercrombie: Die Klingen-Saga 08: Zauberklingen.
Heyne, Februar 2020.
400 Seiten, Taschenbuch, 16,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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