Jim Butcher: Windjäger

windDie Welt in der unsere Geschichte spielt ist ein unwirtlicher Lebensraum. Immerwährender Nebel verbirgt nicht nur mannigfaltige Gefahren, er macht auch den Aufenthalt auf dem Erdboden unmöglich. So haben sich die Menschen in riesige Türme zurückgezogen, und handeln mittels von mühsam gezüchteten Kristallen betriebenen Luftschiffen miteinander.

Kapitän Grimm von der „Raubtier“ gehörte einst der geachteten Flotte Albions an, bevor sein Schwert, nach einem Zwischenfall zerbrochen, und er so als Feigling gebrandmarkt unehrenhaft entlassen wurde.
Seitdem führt er die „Raubtier“ auf Handels- aber auch auf Piratenmission.

In der letzten Zeit hat er es mit dem Freibeutertum ein wenig übertrieben, und die Flotte Auroras macht Jagd auf das kleine aber wendige Luftschiff.
Schwer angeschlagen gelingt es dem Schiff gerade rechtzeitig in den Turm von Albion zurückzukehren, um einen heimtückischen Angriff Auroras mitzuerleben und bei der Verteidigung ihrer Heimat einzugreifen.

Unterstützt wird der Kapitän dabei von zwei jungen Angehörigen der Garde und einer etwas versnobten, jungen Adeligen.
Zusammen gelingt es ihnen zunächst die Kristallzucht der Lancasters vor dem geplanten Sprengstoffanschlag zu bewahren.

Mit ihrer mutigen Tat fallen sie dem Archon, dem Herrscher des Turmes auf, der sie auf eine Geheimmission entsendet. Sie sollen in den unteren Stockwerken des Turms, Habbel genannt, nach der Invasionsstreitmacht der Angreifer, die ein Aeronaut dort abgesetzt hat, suchen. Begleitet werden sie von zwei Aetherikern, Menschen, die von Aether durchströmt werden und deshalb ein wenig seltsam wirken.

Den wichtigsten Mitstreiter habe ich bislang aber noch unterschlagen – Rowl, den Kater, der aus vornehmer Familie stammend eine gar wichtige Rolle im anstehenden Konflikt einnimmt…

Was ist dies für einen Reihenauftakt, den uns Jim Butcher nach seiner High-Fantasy Reihe Codex Alera (dt. bei Blanvalet) und der gefeierten Urban Fantasy Kultserie um Harry Dresden (dt. Feder & Schwert) hier vorlegt?

Steampunk könnte man sagen, nur dass viele Versatzstücke die wir mittlerweile mit der Subgattung verbinden, nicht auftauchen. Kein viktorianisches Setting, kein London im Dampf, ja nicht einmal dampfbetriebene Maschinen, statt dessen Kristalle die die Luftschiffe antreiben, Kampfhandschuhe die vernichtende Blitze aussenden und sprechende Katzen – das ist ungewöhnlich, eigen und innovativ.

Auffällig dabei, dass Butcher uns nichts vorkaut. Seine Beschreibungen der Figuren, ihrer Herkunft ja der ganzen Welt die ihm als Bühne dient ist mehr als rudimentär ausgefallen. Wir Leser müssen uns die Figuren aus deren Taten, aus ihren Interaktionen erschließen, müssen mitdenken und uns ganz in die Handlung vertiefen – show not tell heißt das im Englischen so treffend.
Wie von Butcher nicht anders erwartet ist dies allerdings kein Nachteil, geschweige denn eine Strafe.

Die Handlung ist, obzwar wir den Auftakt einer Reihe vor uns haben, mit jeder Menge dramatischer Entwicklungen, mit Kämpfen und Geheimnissen gespickt, so dass auch in der ersten Hälfte des umfangreichen Buches, in dem er uns seine Figuren vorstellt, keinerlei Langeweile aufkommt. Neben den intelligenten Katzen, die wunderbar treffend als stolze Raubtiere mit Herz gezeichnet werden, fügt er seinem Plot weitere Eigenkreationen bei. Etwa die Katzenstämmigen, eine Mischung aus Raubtier und Mensch, die vornehmlich als Kämpfer in der Garde dienen oder die Seidenweber, gigantische Spinnen, die den Boden bevölkern. Dazu gesellt sich eine noch etwas diffus bleibende politische Ausrichtung über eine adelige Herrscherkaste, eine Garde in der junge Männer wie Frauen aus angesehenen Familien ein bis zwei Jahre dem Allgemeinwohl dienen, mächtigen Handelshäuser und Aeronauten. Wenig erfahren wir über die einfachen Menschen, die als Arbeiter, Händler und Jäger ihr Dasein fristen.

Neben Rowl habe ich Folly, den wohl interessantesten Charakter bislang unterschlagen. Sie, die in ihrer eigenen Welt lebt kann die verschiedensten Zukünfte sehen, vermag so manches Mal entscheidende, wenn auch verklausulierte Hinweise zu geben. Sie ist ein gar seltsames Wesen, dabei aber auch liebevoll und eindringlich gezeichnet und wächst dem Leser schnell ans Herz.

So ist dies ein gelungener Auftakt, der einmal mehr zeigt, dass Jim Butcher ein begnadeter Erzähler von Abenteuergeschichten ist, und der Appetit auf den nächsten Band macht, der leider erst noch geschrieben werden muss.

Jim Butcher: Windjäger.
Blanvalet, März 2016.
768 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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