Jess Kidd: Heilige und andere Tote

Schließen Sie die Tür, ziehen Sie die Vorhänge vor, dimmen Sie das Licht. Und dann: Genießen Sie. Genießen Sie die Fantasie von Jess Kidd. Die allerdings dann nichts für Sie ist, wenn Sie eher der nüchterne Typ sind, der sachliche Beschreibungen, geheimnislose Charaktere mag. Dann lassen Sie das Licht wieder herein und legen Sie dieses Buch fort.

Sonst aber: Genießen Sie. Jess Kidd zieht in ihren Bann. Wenn sie die Geschichte von Maud und Cathal erzählt.

Maud Drennan, eine Frau, die mit toten Heiligen spricht, die nur sie sehen kann, wird als Sozialbetreuerin zu Cathal Flood geschickt. Die letzte einer ganzen Reihe von Betreuern, die alle von Cathal in die Flucht geschlagen wurden.

Doch Maud ist anders. Hartnäckig und unverdrossen räumt sie auf in dem vermüllten, verwunschenen Haus von Cathal Flood. Dabei kommt sie einem – vermeintlichen? –  Verbrechen auf die Spur, angelockt von verschiedenen Indizien, die ihr – von wem oder was auch immer – zugespielt werden.  Angespornt wird die zuerst unwillige Hobbydetektivin Maud von ihrer Nachbarin Renata.

Renata ist eine Frau, die ein Mann ist, die unter Agoraphobie leidet, früher als Assistentin eines inzwischen verstorbenen Zauberers aufgetreten ist und die Kriminalromane liebt (ein bisschen Klischee darf sein).

Mit Unterstützung von Renata und den besonders absonderlichen toten Heiligen taucht Maud immer tiefer in die Vergangenheit der Familie Flood ein, um das Verbrechen aufzuklären. Dabei gerät sie nicht nur selbst in Gefahr, sondern muss sich auch der eigenen Vergangenheit und dem Verschwinden ihrer Schwester stellen.

Doch all das, die Handlung des Romans gerät in den Hintergrund. Das wirklich Besondere, das, was dieses Buch so lesenswert macht, ist die Sprache von Jess Kidd. Eine Kostprobe: Er schiebt eine Hand durch die gesponnene Seide seines Haars (weißer Lichtkranz, Magnet für Spinnweben, statisch aufgeladen), klopft es glatt, als wollte er sich präsentabel machen. Dann zieht er seine noch immer dunklen Raupen von Augenbrauen minimal hoch und neigt den Kopf zur Seite. Der Anblick wirkt seltsam charmant, er hat etwas von einem steinalten misanthropischen Eichhörnchen. Sein Mund beginnt zu mahlen, verzieht sich in verkniffenen Verrenkungen, wie ein Bauchredner mit Schluckauf. (S. 10)

Es lohnt sich langsam zu lesen, um wirklich kein Wort zu über-lesen. Wenn man dann der überbordenden Fantasie der Autorin gefolgt ist, fällt es nach dem Ende des Buches fast schwer, wieder in die banale Wirklichkeit zurückzukehren.

Ein fantastisches Buch für fantasievolle Leser.

Jess Kidd: Heilige und andere Tote.
DuMont Buchverlag, Oktober 2019.
384 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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