Jesmyn Ward: Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt

Der 13-jährige Jojo ist der Sohn einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters. Er lebt mit seiner Mutter, den Großeltern und seiner 3-jährigen Schwester Kayla im ländlichen Mississippi. Sein Vater sitzt seit drei Jahren im Gefängnis und hat die kleine Schwester noch nicht einmal gesehen. Die Großmutter ist an Krebs erkrankt und es geht ihr nicht besonders gut. Jojos Mutter Leonie nimmt Drogen. Für ihre Kinder hat sie wenig übrig und weiß nicht recht, wie sie sich gut um sie kümmern soll. Das führt dazu, dass Jojo sich meist um die kleine Kayla kümmert und der Großvater den Haushalt aufrechterhält. Dann wird Michael, der Vater der Kinder, aus dem Gefängnis entlassen.

Jesmyn Ward hat mit „Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt“ einen ganz besonderen Roman geschrieben, in dem es im Wesentlichen um Rassismus und Vorurteile geht. Das erschöpft die Geschichte aber keinesfalls: Es geht auch um Familie, um Gefühle innerhalb dieser und emotionale Bindungen. Für die kleine Kayla ist einzig Jojo eine wichtige Bezugsperson. Sie orientiert sich völlig an ihm und quengelt bei jedem anderen auf dem Arm. Das ist letztlich kein Wunder, denn Leonie, die von Jojo nicht Mama oder Mutter genannt wird, sondern einzig bei ihrem Vornamen, fehlt der mütterliche Instinkt. Sie kämpft um diesen Instinkt, doch recht gelingen will es ihr nicht. Sie erkennt die Nöte ihrer Kinder nicht, selbst wenn diese sie vehement verbalisieren oder anderweitig zum Ausdruck bringen.

Im Wesentlichen wird die Geschichte von Jojo und Leonie erzählt. Auch andere, wichtige Figuren kommen kurz zu Wort und es brechen mehrere Abgründe in der Familie auf. Denn auch der Großvater trägt ein Geheimnis mit sich herum, das bald die ganze Geschichte bestimmt. Auch die Lebenden und die Toten, die im deutschen Titel ihren Platz haben, spielen dabei eine wichtige Rolle. Immer wenn Leonie Drogen genommen hat, sieht sie den Geist ihres früh verstorbenen Bruders. Und auch Jojo hat auf der Fahrt zum Staatsgefängnis eine seltsame Erscheinung, deren Bedeutung erst spät im Roman klar wird.

All das führt dazu, dass man „Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt“ kaum aus der Hand legen mag. Die Handlung erstreckt sich nur über knapp drei, vier Tage, fesselt aber ungemein und bringt so viele Dinge ans Licht, dass man gar nicht aufhören kann zu lesen. Der Roman hallt nach und bleibt in Erinnerung.

Jesmyn Ward: Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt.
Verlag Antje Kunstmann, Februar 2018.
300 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.