Jens Brambusch: Tausche Büro gegen Boot

Der Journalist Jens Brambusch stellte eines Tages fest, dass er in seinem Leben dringend etwas ändern müsse. Schließlich hat sich in seinem Umfeld insbesondere bei den Arbeitsbedingungen vieles verändert und dies leider nicht zum Guten. Statt genug Zeit für eine gründliche Recherche zur Verfügung zu haben, um die Menschen so objektiv wie möglich zu informieren, wurde er wie all seine Kollegen dazu angehalten, so schnell wie möglich einen Artikel abzufassen. Ausgewogener Journalismus wird nun der Aktualität geopfert. Systematisch hat er sich für die Arbeit aufgerieben, und dann ist da noch sein Sport, das Strandsegeln. Als sein Körper ihn zu einem Umdenken zwingt, bleibt sein Kopf beim Segeln. Wer sein Leben lang den Segelsport betreibt, kann sich auf diesem Weg auch neue Schritte denken, und zwar das Wohnen auf einem Boot.

Wie er dann tatsächlich sein Büro gegen ein Boot tauscht, nachdem er seinen kompletten Besitz verkauft hat, beschreibt er strukturiert in verschiedenen Kapiteln den Start in ein Leben als Aussteiger. In der Türkei findet er mit der Hilfe eines Freundes das passende Boot. Sein Heimathafen soll Kas werden. Und allmählich geht es ihm besser, trotz neuer Hürden und Reparaturkosten. Häufig rechnet er durch, wie lange seine Ersparnisse reichen könnten. Unerwartet hilft ihm der Kursverfall der türkischen Lira, aber auch Honorare für diverse Artikel und Buchprojekte. Weniger hilfreich sind Besucher, die schon von Deutschland aus Restauranttermine buchen. Nachdem er den Konsumverzicht schätzen gelernt hat, passt sein aktueller Lebensstil nicht mehr mit dem, für den einige seiner Freunde stehen.

„Die Reserve auf meinem Konto habe ich umgerechnet in eine Währung namens Zeit. Zeit, in der ich meinen Traum vom Leben auf dem Wasser sorgenfrei leben kann. Und jedes Prassen prasselt wie ein Lagerfeuer, in dem die Restzeit verbrennt.“ (S. 144)

Andere Freunde entwickeln sich zu einer wahren Stütze. Zu den neu entdeckten alten Freunden kommen neue hinzu. Jens Brambusch lernt Gleichgesinnte kennen, die zu einer Ersatzfamilie zusammenwachsen und dies nicht nur im Winter oder in der Zeit der Isolation durch Corona. Häufig kocht er in seiner gut ausgestatteten Kombüse für seine Kumpel, die aus den unterschiedlichsten Ländern kommen.

Zu Beginn seiner Kapitel erklärt Jens Brambusch verschiedene Fachtermini, so dass auch routinierte Nichtsegler allmählich eine Vorstellung von der Komplexität des Segelns erhalten. Abgesehen von den diversen Behördengängen, Führerscheinprüfungen oder Wind und Wetter gibt es noch zahlreiche Aspekte, die der Autor unterhaltsam präsentiert. Sehr informativ und teilweise humorvoll geht die Reise über die ersten Jahre auf der Dilly-Dally.

Für Nichtsegler dürfte dieses empfehlenswerte Buch hochinteressant aber kein Garant für eine erfolgreiche Nachahmung sein. Wer dem Land verbunden ist, braucht vermutlich eine Alternative auf dem Land, um nicht durch Unwissenheit Schiffbruch zu erleiden.

Jens Brambusch: Tausche Büro gegen Boot: Von einem, der ausstieg, um segeln zu gehen.
DuMont Reisverlag, Mai 2022.
288 Seiten, Taschenbuch, 16,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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