Jenn Lyons: Drachengesänge 02: Der Name aller Dinge

Khirin D´Mon, Bastard des Königshauses, ehemaliger Sklave und unfreiwilliger Befreier von Dämonen ist auf der Flucht. Sein Weg führt ihn in einer einsam gelegene Schenke an einem der unwirtlichsten Orte der Welt. Eingeschlossen von einem arktischen Sturm, für den eine Drachin verantwortlich zeichnet, trifft er auf eine Frau, die anscheinend schon auf ihn wartet. Dass sie vorgibt ihn zu kennen, dass die kleingewachsene Dame ein loses Mundwerk und eine blühende Phantasie ihr Eigen nennt, geschenkt, schließlich muss man sich ja die Zeit bis zum Ende des Sturms vertreiben.

Als sie dann aber rauslässt, dass sie will, dass Khirin ihr hilft eine ganze Stadt vor dem Untergang zu retten, ist Schluss mit lustig. Er hat wahrlich genug um die Ohren, Götter, Drachen und der mächtigste Magier der Welt sind hinter ihm her, von all den Wachen, Attentätern und Glücksrittern gar nicht zu sprechen. Doch dann fällt der Name Relos Var – der Mann, der Magier, der Gott der hinter all dem Unbillen steckt, denen Khirin ausgesetzt war. Abwechselnd erzählen Janel und der Mönch Quan von den letzten Jahren – Jahre, die sie weit in den nördlichen Kantonen herumgeführt haben, Jahre, in denen sie eine Rebellion starteten, in denen sie auf letzte Angehörige der unsterblichen Rassen stießen, die einst die Welt bevölkert hatten und Jahre, in denen sie gegaescht (durch Zauber gezwungen alles zu tun, was der Meister befielt) wurden und ausgerechnet Relos Var zu Diensten sein mussten. Je länger der Bericht über ihre Erlebnisse dauert desto deutlich wird, dass Khirin die Bitte um Unterstützung erfüllen muss – hängt letztlich doch die Zukunft der ganzen Welt und sein eigenes Leben daran.

Mehr als 900 Seiten zusammenzufassen fällt vorliegend nicht einfach. Jenn Lyons hat bereits ein Jahr nach ihren triumphalen Debut den zweiten von projektierten fünf Romanen um die Drachengesänge vorgelegt. Und sie macht es sich nicht einfach.

Anstatt den Fokus auf ihrem Erzähler aus dem ersten Teil gerichtet zu lassen, taucht dieser nur am Rande und ohne dieses Mal wirklich eine wichtige Rolle zu spielen, auf. Statt dessen stellt sie uns eine Gegend ihrer Welt vor, die neu ist. Rau sind die Länder des Nordens, hier werden die Feuerblüter noch verehrt, haben die Pferde hier doch ihre Intelligenz behalten und sind gleichberechtigte Partner der Menschen. Und sie stellt uns eine Frau vor, die Nacht für Nacht ins Jenseits reist um dort im Auftrag ihrer göttlichen Mutter gegen die Dämonen in den Krieg zu ziehen. Mehr noch, Janel ist ein Graf, nicht Gräfin – nicht das Geschlecht, sondern das Naturell und die Ausstrahlung bestimmen in diesen Ländern, wer dominiert und regiert – der ihr Land genommen werden soll. Dass sie sich wehrt, dass sie, um der Bedrohung für ihr Mitmenschen und Feuerblüter durch göttliche Drachen zu begegnen, einen magischen Speer sucht und dabei in Gefangenschaft gerät, ist nur eines der vielen Abenteuer, von denen sie berichtet.

Nun könnte man annehmen, dass es an Spannung mangeln würde – schließlich wissen wir, dass unsere Erzählerin und ihr Chronist überlebt haben. Dem ist aber nicht so. Zu faszinierend anders sind die beschriebenen Gesellschaften, zu interessant die Geschlechterrollen, bzw. das Fehlen derselben, zu dramatisch die Auseinandersetzungen. Ganze Ortschaften werden durch Giftgas ausgelöscht, Intrigen von Adeligen, Zauberern ,Hexen und Göttern tun ein Übriges, dass es unseren Erzählern nicht langweilig wird.

Dabei werden gleichgeschlechtliche Beziehungen als etwas ganz normales, alltägliches Dargestellt, wird Freiheit in Verantwortung gelebt. Gerade diese Darstellung einer ganz anderen Gesellschaft, in der nicht das Geschlecht sondern der Charakter, das Verhalten und die Ausstrahlung über Rang und Pflichten bestimmen, zählen zu den mehr als interessanten Besonderheiten des Romans. Dass uns die Fußnoten , dieses Mal von Senera, immer auch die andere Seite nahe bringen, dass selbst die Bösen in ihren Rollen überzeugend motiviert agieren, macht die Lektüre zum Selbstläufer. Allerdings sollte man den ersten Band gelesen haben, um Anspielungen, Verweise und Reminiszenzen zu goutieren.

Der Wechsel des Erzähler-Duos, die neue Umgebung mit ihrer ganz anderen Herrscherstruktur verbindet sich hier in hervorragender Art und Weise mit einem packenden Abenteuer, das die Zeit der Lektüre rasend schnell vergehen lässt – natürlich mit einem fiesen Cliffhanger zum Schluss – immerhin hat die Autorin in den USA / UK bereits Band 3 veröffentlicht, so dass wir uns wohl auf den nächsten Teil in 2021 freuen dürfen.

Jenn Lyons: Drachengesänge 02: Der Name aller Dinge.
Klett-Cotta, September 2020.
912 Seiten, Gebundene Ausgabe, 25,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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