Jeff VanderMeer: Borne

Jeff VanderMeers Blick in die Zukunft ist so düster, dass er schon schwarz ist. Viele haben einen ähnlichen Blick beschrieben, der einen gemeinsamen Nenner hat: Eine zerstörte Welt, in der jeder jeden tötet.

In so einer Welt lebt die junge Rachel, die über viele Jahre ein Flüchtling war. Seit einer Weile wohnt sie mit ihrem Lebensgefährten Wick in der Nähe einer zerstörten Stadt, einer zerstörten Firma und in einer vergifteten Fauna. Genmutierte Menschen und Tiere gehören zu ihrem Alltag genauso wie biotechnologische Wesen mit sehr unterschiedlichen Funktionen. Eines von ihnen ist der turmhohe Bär mit dem Namen Mord. Auf seiner tödlichen Jagd bleiben viele »Reste« in seinem zottigen Pelz hängen. Für unerschrockene Finderinnen wie Rachel ist das Fell des schlafenden Killers ein idealer Ort für ihre Nahrungssuche. Eines Tages entdeckt sie dort ein seltsames Wesen. Es sieht aus wie eine glatte Vase mit wechselnden Farben. Während Wick das Ding auseinandernehmen möchte, will Rachel es behalten und gibt ihm den Namen Borne. Wie eine Detektivin versucht sie, mehr über Borne herauszufinden. Eines Tages spricht er sogar, und sie beginnt ihn zu unterrichten.

In der Science-Fiction Szene dürfte der 1968 geborene Amerikaner Jeff VanderMeer kein Unbekannter sein. 2003 erhielt er unter anderem den renommierten World Fantasie Award im Bereich Short Story. In seiner trostlosen Untergangsgeschichte inszeniert er eine besondere Mutter-Findelkind Beziehung, die einen Aufbruch zu einer möglichen Zukunft vorbereitet. In drei Kapiteln baut der Autor diese innige Verbindung auf. Borne – das Kleinkind, Borne – der junge Erwachsene und Borne – die Killermaschine, die täglich rasant wächst und immer stärker wird. Wick und Rachel begreifen eines Tages, dass nur eine Trennung von Borne ihr Überleben sichern kann. Trotzdem sucht sie nachts immer wieder ‚ihr Kind‘. Denn sie vertraut darauf, dass die natürliche Feindschaft zwischen ihnen aufgehoben ist.

Der Alltag aus Fressen und Gefressenwerden bildet den Hintergrund für Rachels Suche nach einem menschenwürdigen Leben. Sie gibt nicht auf, obwohl die Revierkämpfe zwischen Mord und einer Magierin in den alles entscheidenden Krieg gipfeln. Der Autor hat mit Rachel und Wick ein Paar geschaffen, das die alte Geschichte von Adam und Eva in einer lebensverneinenden Zukunft fortsetzt. Auch sie werden aus ihrer Festung vertrieben. Während sich die Ich-Erzählerin noch an ein kleines Stück Paradies mit ihren Eltern erinnern kann, baut Wick in der gemeinsamen Festung süchtigmachende Erinnerungskäfer für ein trostsuchendes Klientel. Das Leitthema ‚Hoffen oder die Hoffnung fahren lassen‘ zeigt, dass letztendlich das Zusammenspiel von verdammt viel Glück und Kraft eine Zitterpartie für jeden Mitspieler bedeutet. Das Überleben ist bekanntlich nichts für Feiglinge.

Jeff VanderMeer: Borne.
Verlag Antje Kunstmann, September 2017.
367 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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