Janna Steenfatt: Die Überflüssigkeit der Dinge

… Ich konnte mich nicht erinnern, Entscheidungen getroffen zu haben.“ (S. 37) Dass Unentschlossenheit auch eine Form der Entscheidung ist, bereitet Katharina anfangs keine Sorgen, bis die Einmischung anderer ihr immer weniger gefallen. Auf einmal fühlt sich im Leben der jungen Frau ziemlich viel falsch an.

„… Ich hatte geglaubt, nach dem Studium würde sich beruflich irgendetwas ergeben, aber es hatte sich nichts ergeben, nichts bis auf diverse unterbezahlte Nebenjobs, unbezahlte Praktika und die regelmäßigen obligatorischen Erniedrigungen durch das Arbeitsamt.“ (S. 101)

Sie ist deshalb so unsichtbar geworden, wie es ihr möglich ist. Bei Falk wohnt sie seit drei Jahren zur Untermiete. Alle denken, er wäre ihr Freund. Falks Wohnung ist Falks Wohnung geblieben, spartanisch eingerichtet mit leeren Wänden. Auch ihr Zimmer gestaltet Katharina minimalistisch. Eine Matratze auf dem Boden, kaum Möbel.

Als ihre Mutter stirbt, beginnt sie ihr vergangenes Leben zu reflektieren. Am emotionalen Tiefpunkt angekommen, kann es zu ihrem Glück nur noch aufwärtsgehen. Katharina nimmt einen Aushilfsjob in der Kantine des Theaters an. Überraschenderweise gefällt ihr die Arbeit und auch die Hoffnung, in ein paar Monaten ihrem Vater zu begegnen. Wolf Eschenbach, der bekannte Intendant, kehrt an den Ort zurück, wo er Katharinas Mutter kennengelernt und viel zu früh verlassen hat.

Die Hamburgerin Janna Steenfatt hat in ihrem Debüt ein sprachlich ausgefeiltes Werk vorgelegt, in dem die Ich-Erzählerin Katharina nach einem langen Weg der Verweigerung ihren Platz findet. Dies geht natürlich nur, wenn sie die eigenen Wurzeln versteht und warum ihre Mutter sie ohne Vater heranwachsen ließ. Den Schatten der Mutter hinter sich zu lassen, bedarf manchmal viel mehr Anstrengung, als nur einen Schritt in die richtige Richtung zu wagen. Ihre Rolle als Frau muss Katharina neu definieren, wenn sie nicht die der Mutter spielen will. „… in meiner Vorstellung saß sie, reglos und mit einer Tasse Tee, einer Flasche Likör am Tisch, in der von einer unsichtbaren Uhr zertickten Stille,“ (S. 27)

Dramatische Coming-Of-Age-Romane gibt es viele. Pointierte literarische Feinkost wie der berührende Roman von Janna Steenfatt ist dagegen selten und dafür umso kostbarer.

Janna Steenfatt: Die Überflüssigkeit der Dinge.
Hoffmann & Campe, Februar 2020.
240 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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