Jan Weiler: Kühn hat Hunger

Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie man so eine Diät, noch dazu mit völlig bescheuerten Ansprachen und Direktiven, überhaupt überstehen kann. Um so etwas anzugehen, müssen die Dinge ziemlich schief laufen. Und das tun sie offensichtlich bei Kommissar Kühn. Er fühlt sich in seiner Haut nicht mehr wohl, und merkt auch, dass seine Frau Susanne sich distanzierter verhält, also ran an den Speck und die „Ferdie Caparacq Methode“ angewandt. Er will als Mann wieder attraktiver, begehrlicher sein. Seinen Platz zurück erobern, sozusagen. Nun kann man ja so eine Tortur einfach so angehen, wenn rings herum kein Stress ist. Aber wieder nix. Ein komplizierter Fall fordert das Gespür des ganzen Kommissars. Trotz ständigem Hunger. Eine junge Frau wird gefunden in einem Baustellenloch und in der Nähe ist ein Campingplatz. Bitter die Parallele zu Lügde, das wird ja grade erst gerichtlich aufgearbeitet und immer noch kommen schlimmste Nachrichten ans Tageslicht.

Parallel zu Kühns Hungerkur verfolgen wir die Psychopathologie zweier Gestalten, die versuchen unter dem Radar eines normalen Lebens klar zu kommen, obwohl sie beide schlimme Vorstellungen vom und mit dem Leben der Frauen haben. Sie beobachten lieber, setzen sich dann vor dem Screen. Das kann mitunter Jahre „gut“ gehen, aber irgendwann explodiert das Ganze und gerät außer Kontrolle. Das Team um den hungrigen Kühn muss ganze Arbeit leisten. Und die wird noch erschwert durch eine Neiddebatte um eine Beförderung, die Kühn eigentlich für sich apostrophiert. Ach ja, eine schöne Geschichte, mit vielen sidekicks aus dem Leben eines Mannes, der sich widerfinden will. Weiler ist ein guter Erzähler, der augenzwinkernd die Story vorantreibt und sogar einen hübschen Plot am Ende hat, den ich natürlich nicht verrate. Genuss ohne Reue und man kann sich schon auf den nächsten Fall von Kommissar Kühn freuen, denn Kühn ist einer den man mögen muss, grade wegen seiner kleinen-  und manchmal großen Macken. Aber wer hat die nicht?

Jan Weiler: Kühn hat Hunger.
Piper, Oktober 2019.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.

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