J. Jefferson Farjeon: Geheimnis in Weiß

weissEin Krimi in bester Retro-Manier: Diese unentdeckte Literatur-Perle beschwört den Charme vergangener Agatha Christie-Abenteuer herauf. Im Jahr 1937 verfasst, bietet der Roman reinstes Kriminalvergnügen der guten alten Schule. Keine DNA-Profile, keine Serienmörder, keine blut- und actionlastige Showeffekte heischen hier um Aufmerksamkeit.
Stattdessen agieren fein gezeichnete Charaktere mit subtilem Humor vor einer Kulisse, die dem Archetyp des Gruselromans entsprungen ist. Genauer: Ein abgelegenes Haus in England, das kurz vor Weihnachten durch einen Schneesturm von der Außenwelt abgeschnitten wird.

In diesem Haus strandet unfreiwillig eine bunt zusammengewürfelte, halb erfrorene Reisegruppe, die einen steckengebliebenen Zug verlassen hat, um auf einen anderen Bahnhof auszuweichen. Dabei hat sie sich im Schneetreiben verirrt und landet mit letzter Kraft auf dem abgelegenen Cottage. Beim Eintreten sorgt das Haus für weitere Gänsehaut. Der Tisch ist gedeckt, die Kaminfeuer brennen, das Teewasser kocht. Aber nirgendwo eine Menschenseele. Stattdessen finden die Neuankömmlinge ein Messer auf dem Küchenboden vor, dazu merkwürdige Schriftstücke sowie das Porträt des Hausherrn, dessen herrische Augen sie unentwegt zu taxieren scheinen. Was ist hier passiert?

Durch Gruppenzuwachs in Form einer zwielichtigen Gestalt, einen tödlichen Vorfall sowie geisterhafte Wahrnehmungen spitzen sich die Ereignisse derart zu, dass den neuen Bewohnern nichts anderes übrig bleibt, als das Rätsel zu lösen. Auf Hilfe von außen können sie nicht hoffen.

Neben der eigentlichen Handlung sind es vor allem die unterschiedlichen Charaktere, die ein weiteres – und meist sehr amüsantes – Spannungsfeld erzeugen. Die Rolle des Anführers fällt dem exzentrischen Mr. Maltby von der königlich-parapsychologischen Gesellschaft zu, der sich als cleverer Analytiker mit guten Nerven herausstellt. Das attraktive Geschwisterpaar David und Lydia Carrington weiß sich ebenso nützlich zu machen und einen klaren Kopf zu bewahren, wenngleich sie selbigen einigen Mitreisenden verdrehen. Ein zartbesaiteter Buchhalter, eine Revuetänzerin sowie ein aufdringlicher Angeber erweisen sich hingegen als Sorgenkinder par excellence.

Ein weiteres Geheimnis: Warum der in England hochgelobte J. Jefferson Farjeon hierzulande ein weitgehend unbekanntes Dasein fristete. Schließlich verfasste der Autor über 60 Thriller und Krimis, sein Theaterstück „Number Seventeen“ wurde gar von Alfred Hitchcock fürs Kino adaptiert. Mit der deutschen Übersetzung von „Geheimnis in Weiß“ könnte sich dies ändern – und der „Goldenen Ära der Kriminalliteratur“ ein Revival bevorstehen. Sätze wie „Sie würden auch noch einem Salatkopf das Herz rausziehen!“, liest man heutzutage kaum noch. Leider.

Ein nostalgischer Krimigrusel, bestens geeignet für die kalte Jahreszeit.
Kuscheldecke raus, einen Darjeeling aufgebrüht und ab damit aufs nächste Lesesofa …

J. Jefferson Farjeon: Geheimnis in Weiß.
Klett-Cotta, Oktober 2016.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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