Inge Jens: Langsames Entschwinden: Vom Leben mit einem Demenzkranken

jensZehn Jahre lang litt Walter Jens an Demenz.
Mit Hilfe pflegerischer Unterstützung hat Inge Jens ihren Mann durch diese auch für sie selbst so schwere Zeit begleitet.
In diesem Buch veröffentlicht Inge Jens vertrauliche Briefe, die sie während dieser Jahre an Freunde und Bekannte schrieb, denen sie vom sich verändernden Zustand ihres Mannes berichtete.

In ruhigem, klaren Erzählton schildert sie den geistigen Verfall des einstigen Intellektuellen. Doch es war nicht nur das Leben ihres demenzkranken Mannes, das ihr immer fremder wurde – auch ihr eigenes Leben veränderte sich durch die Krankheit von Walter Jens.

Anfangs waren es Namen, die dem einst so wortgewaltigen Literaturprofessor entfielen. Kurze Zeit später wusste er die Orte nicht mehr, an denen er sich aufhielt. Sein Dasein entglitt ihm mehr und mehr.
Wie alle Demenzkranken lebte er in seiner eigenen, Dritten nicht vermittelbaren Welt.
Die Phasen als er spürte, nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein, waren schmerzlich; doch es gab auch Situationen, in denen er spürbar Freude empfinden konnte. – Und Walter Jens wollte leben. Seine Angst davor die Welt zu verlassen, war zu groß.

Die Briefe von Inge Jens berühren. Sie zu lesen ist, als ob die Autorin einem gegenüber sitzt und sich alles von der Seele redet. Zwar wiederholen sich ihre Schilderungen an die unterschiedlichen Adressaten teilweise, was aber die Situation in der sie und ihr Mann sich befanden, nochmals verdeutlicht.

Bei momentan über einer Million Demenzkranker die in Deutschland leben, mangelt es an adäquaten Pflegeeinrichtungen mit entsprechend ausgebildetem Personal ebenso, wie an unterstützenden Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Alltags für Betroffene und ihre Angehörigen.

Die Autorin versteht die Veröffentlichung ihrer Texte als Denkanstoß und Anregung zu Diskussionen.
Diese Krankheit erfordert es, den Focus auf ethische Belange zu lenken. Ein Demenzkranker ist und bleibt ein Mensch – allen Einschränkungen zum Trotz, auch wenn das Siechtum unerträglich erscheint. Dies wird durch die Offenlegung von Inge Jens‘ Briefen einmal mehr aufgezeigt.

Inge Jens: Langsames Entschwinden: Vom Leben mit einem Demenzkranken.
Rowohlt, März 2016.
160 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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