Ida Grass: Hanne greift sich das Leben

hanneHanne Gellert, Mitte vierzig, Mutter, Single und Chefsekretärin eines älteren Rechtsanwalts plant ihr Leben und Umfeld immer bis ins kleinste Detail. Ihr geht es bestens, wenn nichts dazwischen kommt. Leider kommt ständig etwas dazwischen, das Hannes kreativen Durchsetzungswillen herausfordert. Gerade flüchtet die Tochter nach Marburg, um dort Jura zu studieren. Nun bleibt Hannes Kontrollwahn nur noch das Anwaltsbüro. Der Rest ist Leere, bis Torben, der Kollege ihres Chefs, vor ihr steht. Hanne gefällt, was sie sieht. Er ist der ideale Mann. Auch wenn er verheiratet ist. Immer mehr steigert sie sich in die Vorstellung hinein, diesen Mann für sich zu gewinnen. Koste, was es wolle. Und je mehr Torben sich sträubt, um so hartnäckiger trickst und intrigiert sie für ihren Erfolg.
Die Autorin und Rechtsanwältin Ida Grass, geboren 1967 in Kassel, hat mit ihrem kurzweiligen Roman zugleich auch eine Realsatire geschrieben. Hierfür verwendet sie einen kompakten, anspruchsvollen Sprachstil, der reflektiert, ironisiert und gerne auch einmal spöttelt, um das Leben einer modernen, unabhängigen Frau zu überzeichnen. Dies kann natürlich nur eine gestandene Frau sein, die alles bekommt, was sie will. Hanne Gellert gibt nicht nur in ihrem Beruf alles. In ihrer Freizeit läuft sie Marathon. Zur drahtigen Körperverfassung gehört selbstverständlich auch die vegane Rohkost-Ernährung. Männer werden bei dieser Lebensform allenfalls sporadisch gebraucht wie die Nippessammlung in der Glasvitrine, immer vorzeigbar und bei Bedarf verfügbar.
Wer in einem Frauenroman eine charmante Freundin auf Zeit sucht, wird bei Hanne Gellert auf Granit beißen. Denn die auf Distanz gehende Hanne schaut auf füllige Frauen ebenso herab wie auf die erfolglosen oder von Männern abhängigen Konkurrentinnen. Bei so viel Sperrigkeit bleibt dem geneigten Leser nur ein Gefühl für Anteilnahme oder Mitleid, wenn Hanne für das eigene Scheitern blind geworden auf ihre ganz persönliche Katastrophe zurast. Das Schlimmste kommt bekanntlich zum Schluss: Hanne darf ein glückliches Leben auf Zeit führen, bis sie wieder auf die Menschheit losgelassen wird und ihrem geliebten Kontrollwahn frönt.

Ida Grass: Hanne greift sich das Leben.
KUUUK, Januar 2014.
192 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.