Hilkje Hänel: Ein Fall für Alexandra Gode 01: Engel der Erlösung

In Berlin werden kurz hintereinander fünf Frauenleichen aufgefunden – geschlagen, misshandelt und erstickt. Ihre Körper weisen auch Verletzungen und Narben älteren Datums auf. Bald steht fest, dass sie über Jahre hinweg Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Die eigenbrötlerische Hauptkommissarin Alexandra Gode wird mit den Fällen betreut. Geraten zunächst die jeweiligen Ehemänner unter Verdacht, wird mit jedem neuen und exakt gleich ausgeführten Tötungsdelikt ersichtlich, dass ein Zusammenhang bestehen muss. Ein Serienmörder? Aber was ist sein Motiv? Alex, sonst für ihre unverblümte und direkte Art bekannt, stößt an ihre Grenzen. Der Fall reißt Wunden aus ihrer Kindheit auf. Ihr neuer Partner Markus Lepke macht die Ermittlungsarbeit ebenfalls nicht leichter.

Die Zutaten dieses Thrillers sind nicht neu, zum Beispiel die traumatisierte Hauptkommissarin oder die aufkeimende Romanze zwischen den Ermittlern. Dennoch hat die Autorin ihre Zutaten geschmackvoll angerichtet und mit aktuellen, neuen Toppings versehen. Da sind die Seitenhiebe auf den Polizeiapparat, das umstrittene Vorgehen gegen Demonstranten. Oder die Dreiecksbeziehung um Alexandra, die ebenso genderübergreifend und regenbogenbunt ist, wie es sich für die Hauptstadt gehört.

Überhaupt ist Berlin die Geheimzutat des Plots. Hilkje Hänel hat hier studiert und sich mittlerweile ganz niedergelassen. Sie offenbart uns ein Berlin, dass nicht hipp oder „edgy“ ist. Das winterliche Berlin ihres Thrillers ist schmutzig, trostlos, deprimierend. Ratten tummeln sich überall, Berufsalkoholiker gammeln in klebrigen Bars, die Dunkelheit hängt zwischen den Betonmauern fest, schlafwandelnde Gestalten irren wie Zombies umher. Perfekt überträgt die dunkle Großstadtseele Alexandras Innenleben nach außen. Wie ein einsamer Wolf sitzt sie allabendlich in ihrer Stammkneipe, um stumm ein paar Whiskys zu kippen.

Das Thema (sexuelle) Gewalt gegen Frauen hat die Autorin, welche ihr Psychologiestudium nach zwei Wochen abgebrochen hat, mit einigen Denkanstößen versehen. Haben Frauen, die ihre Misshandlung hinnehmen, nicht auch selbst schuld an ihrem Schicksal? Würden sich mehr Frauen zur Wehr setzen, hätte dies eine Verschärfung der Gesetze zur Folge, was Täter abschrecken könnte. Gleichzeitig würde das Thema mehr ins öffentliche Bewusstsein rücken, wäre enttabuisiert. „Opfer ist in Berlin ein Schimpfwort“, heißt es im Plot. Alexandra Gode findet sich im Verlauf der Geschichte auf unterschiedlichen Seiten wieder. Mal ist sie das Opfer, mal ist sie die kämpferische Amazone, mal ertappt sie sich dabei, wie sie selbst resigniert wegblickt, als eine Praktikantin in Bedrängnis gerät.

Sprachlich liest sich der Prolog wie eine Referenz an Hilkje Hänels Tätigkeit als Theaterschreiberin. Die Szene ist mit regieartigen Anweisungen versehen, der Leser wird zum Voyeur des brutalen Geschehens. Auch der Rest der Geschichte ist bildhaft und anschaulich geschrieben. Zu Beginn jedes Kapitels umreißt sie in wenigen Sätzen kurze, verstörende Großstadtszenen, was einen starken dramaturgischen Effekt hinterlässt. Songzeilen aus Liedtexten, Fragmente eines Gedichtes von Rilke – die Autorin schöpft aus vielen textlichen Genre und schafft es in wenigen Worten, starke Emotionen hervorzurufen. Das Ergebnis liest sich rund und sehr spannend. Ein absoluter Pageturner!

Der erste Thriller rund um Alexandra Gode ist als Auftakt für eine Buchreihe angedacht. Mit den ungeklärten Punkten ihrer dunklen Vergangenheit sowie dem offenen Ende ihres Beziehungswirrwarrs, hält die Autorin noch einige Asse im Ärmel, um die Spannung über weitere Buchausgaben konstant zu halten. Der Einstieg ist zumindest mehr als gelungen …

Hilkje Hänel: Ein Fall für Alexandra Gode 01: Engel der Erlösung.
Goldmann, November 2017.
352 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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