Herbert Dutzler: Am Ende bist du still

Mit Mitte zwanzig dachte Sabine eigentlich, dass sie sich von ihrer Mutter losgeeist hätte. Dass ihre Mutter nicht mehr über Sabines Leben bestimmen würde. Dass sie ganz allein alle Hindernisse meisten würde. Doch auch heute ruft ihre Mutter noch mehrmals täglich an, lässt sich nicht ignorieren, mischt sich ständig ein und gibt auch gerne ungefragt ihre Meinung preis. Sabine hält es einfach nicht mehr aus – diesen Terror seit Jahren! Und dann passiert etwas Überraschendes. An Weihnachten entfacht in ihrem Elternhaus ein Brand und die Mutter kommt dabei zu Tode. Hat ihre so auf Sicherheit bedachte Mutter wirklich vergessen, die Kerzen am Adventskranz zu löschen?

Herbert Dutzler hat mit „Am Ende bist du still“ eine Mischung aus Kriminalroman und Psychothriller geschrieben. Im Mittelpunkt steht einzig und allein Sabine mit ihrer Lebensgeschichte. Man lernt sie auf zwei Zeitebenen kennen. Als junge Frau in den Zwanzigern, eine selbstbewusste Studentin, die dennoch nicht erreicht hat, was sie erreichen möchte. Doch für ihre Ziele geht sie schließlich ungewohnte Wege und setzt das um, was ihr einst ihre Mutter gelehrt hat – auch wenn sie das nicht so wahrhaben will. Sie kopiert unbewusst die Herangehensweise ihrer Mutter. Auf der zweiten Zeitebene ist Sabine ein heranwachsendes Schulkind unterschiedlichen Alters. Ihre Mutter dominiert ihr Leben, bestimmt mit welchen Kindern sie spielen darf und was gespielt wird. Sie setzt sie schulisch unter Druck, gibt ihr keine Freiheiten. Sabines Heranwachsen ist mehr als deprimierend.

Die Katastrophe ist vorbereitet und bleibt sogar nicht die einzige. Als Sabine von ihrer Mutter befreit ist, merkt sie schnell, dass damit nicht alle Probleme gelöst sind. Der Roman ist spannend zu lesen, die Protagonistin vielschichtig dargestellt, Gerade die Tatsache, dass sie als junge Erwachsene agiert wie eins ihre Mutter, macht die Sache zusätzlich interessant. Was macht eine Erziehung, wie Sabine sie erhalten hat, (schlimmstenfalls) mit einem Menschen? Mit welchen Strategien findet er oder sie sich im Leben zurecht? Eine mögliche Antwort gibt Herbert Dutzler mit diesem gelungenen Roman. Man kann sich der Geschichte nach ein paar Kapiteln kaum mehr entziehen, weil der Inhalt so verstörend ist, dass man manchmal aufschreien möchte. Gegen Ende der Geschichte kommt es dann allerdings zu einer Wendung, die nicht mehr ganz ins Geschehen passt. Sie ist zu viel des Guten, Ohne den Exkurs wäre „Am Ende bist du still“ perfekt! Gelungen ist in meinen Augen auch das tatsächliche Ende nach besagtem Exkurs – ein Ende, das ich hier natürlich nicht verraten möchte. Nur eins: Es ist so ganz anders wie die übrigen Seiten des Romans, passt aber dennoch sehr gut!

Der Autor ist übrigens Österreicher, an seinen besonderen Ton im Deutschen gewöhnt man sich allerdings auch als hochdeutscher Leser recht schnell. Auch ist Herbert Dutzler kein unbeschriebenes Platt, über die Jahre hat er einige regionales Krimis verfasst. Romane im Stil von „Am Ende bist du still“ darf es gerne noch mehrere geben!

Gegen Ende des Romans wird es kurzzeitig zu viel des Guten, dann gelingt Dutzler allerdings ein gelungener Bogen. Insgesamt ist der Roman zu empfehlen, wenn er auch verstörend ist und sich kaum beiseitelegen lässt.

Herbert Dutzler: Am Ende bist du still.
Haymon Verlag, Februar 2018.
312 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

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