Helene Sommerfeld: Die Polizeiärztin 01: Das Leben ein ewiger Traum

Der Markt wird ja gerade überschwemmt von Romanen aus den 20ern und 30ern des 20. Jahrhunderts und seit den Erfolgen von Gereon Rath nimmt auch die Anzahl der Polizeiromane unaufhörlich zu. An diesem Roman hätte mich eigentlich alles abschrecken müssen. Der Name der Autorin und der Titel hören sich in der Kombination verdächtig nach leichter Romance-Kost an, das Cover macht es nicht besser.  Ich habe so manchen als Historischen Roman verkleideten Arztroman in den letzten Jahren frustriert nach den ersten Seiten aufgegeben. Irgendwie bin ich trotzdem an das Buch geraten und muss gestehen, ich habe mich getäuscht. Das Buch ist toll.

Magdas Mann wird getötet, sie verliert danach ihr erstes Kind und es muss ein Neuanfang her. Magda ist selbst Ärztin und bewirbt sich auf eine Anzeige der Berliner Polizei, ohne so ganz genau zu wissen, was das eigentlich ist, eine Polizeiärztin. So springt sie auch ziemlich ins kalte Wasser. Kommt in Berlin an und wird gleich zu ihrem ersten Fall geschickt. Nein, sie ist keine Forensikerin, ihre Aufgabe soll es sein, sich um die betroffenen Frauen und Kinder zu kümmern. Manchmal nur um die Kinder, wenn die Frau das Opfer ist. Sehr schnell begreift sie, zu welchen Taten Mensch in ihrem Elend fähig sind, und dass es immer Kinder gibt, die dabei leiden, selbst wenn sie gar nicht betroffen scheinen.

Magda lernt die Fürsorgerin Ina kennen und reißt diese aus einer Lethargie, die der Frust ihrer Arbeit in vielen Jahren mit sich gebracht hat. Gemeinsam wollen sie die Welt verbessern, soweit sie das in ihren beschränkten Rollen können.

Die andere große Perspektive des Romans ist die Arzttochter Celia, die Magdas Weg dadurch immer wieder kreuzt, dass Celias Mutter ein Zimmer an Magda vermietet hat. Celias Vater ist durch Schlaganfälle gelähmt und doch scheint es, als wolle er Celia helfen, an ihrem großen Traum festzuhalten anstatt auf ihre Mutter zu hören und einfach gut zu heiraten. Im Laufe des Romans kämpft Celia hart um ihre Entscheidung, bis diese ihr einfach abgenommen wird.

Der rote Faden des Romans ist der ungelöste Mordfall an Magdas Mann, der die Geschichte immer wieder streift und am Ende einnimmt.

Bezüglich eines Fazits bin ich noch etwas unentschlossen. Auf der einen Seite fand ich den Roman toll, unterhaltsam und auch erfrischend mit seinen Einblicken. Auf der anderen Seite ist mir die schwarz/weiß-Zeichnung natürlich nicht entgangen. Hier die unendlich guten Helfer, da die unendlich bösen Täter und dazwischen nichts. Mir fehlte auch, dass wenigstens mal erwähnt wird, dass es neben Prostituierten, Landstreichern, Süchtigen, gutsituierten Ärzten und Polizeibeamten vielleicht auch mal den einen oder anderen normalen Berliner gegeben haben könnte. Einen, der einfach seiner Arbeit, irgendwo wohnt und trotzdem in die Mühlen der Justiz gerät (oder auch nicht). Das Bild, dass das Autorenduo von Berlin zeichnet ist zwar kontrastreich, aber so nicht real, nicht mal realitätsnah, das hebelt ihn aus dem Genre „Historischer Roman“ eigentlich heraus und das ist schade. Ebenso schade finde ich, dass die Sprache allzu oft in Heftchenroman-Klischees abschweift. Das ist nicht immer so, aber viel zu oft denken und sprechen die Protagonisten dann noch viel zu schwülstig, sind die Gefühle doch gar zu übertrieben. Außerdem drängte sich viel zu oft der Eindruck auf, dass die Fürsorge für die Kinder sich an Vorstellungen bemisst, die erst 100 Jahre später aktuell sind. In einem Historischen Roman ist sowas ein No-Go.

Fazit: Lesenswert, die Geschichte, die Schicksale der Kinder und was am Ende dahintersteckt reißen viel heraus.

Helene Sommerfeld: Die Polizeiärztin 01: Das Leben ein ewiger Traum.
dtv, März 2021.
544 Seiten, Taschenbuch, 14,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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