Hazel Prior: Miss Veronica und das Wunder der Pinguine

Veronica McCreedy ist fünfundachtzig Jahre alt und ziemlich einsam. Sie legt Wert auf gutes Benehmen, Eleganz und darauf, dass man sie auf ihrem Landsitz in Schottland in Ruhe lässt. Abgesehen davon, dass sie zu einigem Reichtum gekommen ist, hat es das Leben nicht allzu gut mit ihr gemeint. Andere Menschen sind ihr ein Gräuel. Sie verschließt sich so sehr, dass sie nicht imstande ist, wahre Freundlichkeit zu erkennen. Für ihre Haushälterin Eileen beispielsweise hat sie nur eine etwas mitleidige Verachtung übrig, dabei meint es Eileen wirklich gut mit ihr. Veronica verbringt ihre Tage damit, Tee zu trinken, Kreuzworträtsel zu lösen, Rosen in Vasen zu arrangieren und Eileen Anweisungen zu erteilen. Das Altwerden macht ihr zu schaffen, doch das würde sie niemals zugeben. Eines Tages bringt Eileen zufällig eine Holzkiste aus der Rumpelkammer zum Vorschein. Darin befinden sich Erinnerungsstücke an Veronicas Jugend, die sie am liebsten für immer unter Verschluss gehalten hätte. Nach einigem Zögern öffnet sie die Kiste und liest ihre alten Tagebücher. Im Fernsehen läuft eine Dokumentation über Pinguine und eine Forschungsstation in der Antarktis. Beides zusammen löst in Veronica merkwürdige Ideen aus: Sie möchte in ihrem Leben noch etwas bewirken, sie will unbedingt die Pinguine mit eigenen Augen sehen und sie muss herausfinden, ob sie doch noch Angehörige hat. Wenn sich Veronica etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt sie sich durch nichts und niemanden davon abbringen.

Ihr Enkel Patrick ist eine Enttäuschung, die drei Wissenschaftler in der Forschungsstation sind entsetzt, als Veronica ihren Besuch in der Antarktis ankündigt, die Unterbringung dort ist alles anders als komfortabel, ihre zweitliebste Handtasche fällt einem Pinguinangriff zum Opfer – aber für all das wird Veronica mehr als entschädigt durch die Besuche bei den Pinguinen in der Kolonie. Man kann ihnen einfach nicht böse sein. Und vielleicht – ganz vielleicht – öffnen die Pinguine Veronicas Herz so weit, dass sie auch Menschen wieder nah an sich heranlassen kann.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Veronica und ihrem Enkel Patrick erzählt, Tagebucheinträge geben Einblick in Veronicas Leben Anfang der 1940er Jahre. Eingestreut werden Blogartikel aus der Forschungsstation über die Pinguine; sie enthalten viel Wissenswertes über die Tiere.

Das Buch spannt einen weiten Themenbogen: von den Schrecken des zweiten Weltkriegs, von der Entwurzelung und der Suche nach der eigenen Identität hin zum Wunsch, dem Leben Sinn zu verleihen, von Artensterben und Klimawandel zum Naturschutz. Es sind große Themen, die hier leichtfüßig präsentiert werden. Vieles wird nur angerissen, einiges ist vorhersehbar, manches unrealistisch, aber das verzeihe ich diesem Buch gerne. Es macht warm ums Herz und Lust darauf, mehr über Pinguine zu erfahren. Eine kurze Bildersuche im Internet ergibt, dass sie tatsächlich manchmal auf dem Bauch übers Eis rutschen und dass die Küken einfach hinreißend niedlich und flauschig sind. Klare Leseempfehlung für alle, die sich an einem trüben Tag gerne in ein Buch einkuscheln wollen.

Hazel Prior: Miss Veronica und das Wunder der Pinguine.
Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Bauer.
Goldmann, November 2021.
464 Seiten, Taschenbuch, 13,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Ines Niederschuh.

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