Hansjörg Schertenleib: Die Fliegengöttin

Schon lange ist nichts mehr wie es war. Die Krankheit kam schleichend. Jeder Tag bringt eine andere Herausforderung für Willem de Witt mit sich, der seine an Alzheimer erkrankte Frau pflegt. Immer wieder aufs Neue muss er sich auf ihre Wesensveränderungen, Wortfindungsstörungen, ihren Gedächtnisverlust und die physischen Defizite einstellen.

Niemals in einem Pflegeheim enden – dieses gegenseitige Versprechen haben sich der Holländer Willem und seine irische Frau Eilis einst gegeben. Aber nun, seit Eilis keine Erinnerungen mehr hat und Willem oft nicht weiß, ob sie ihn überhaupt erkennt, hat dieses Versprechen eine ganz andere Gewichtung bekommen. Doch Willem hält sich daran. Die letztendliche Konsequenz die im Raum steht, schiebt er dennoch von sich, denn zwischen Zuständen von Verwirrung und Apathie hat Eilis auch lichte Momente. Dann sind die Rückblicke seiner Frau oft solche, die Willem verloren gegangen sind. Auch er verspürt mit seinen dreiundachtzig Jahren körperliche und geistige Defizite. Erinnerungen aus über fünfzig Ehejahren die sie gemeinsam in ihrem Haus in Irland verlebt haben, gibt es genügend. Immerhin haben die de Witts auch drei Kinder mit allen Höhen und Tiefen großgezogen sowie einige schöne Urlaube zusammen verbracht. Nun ist die Vergangenheit mit der liebevoll geprägten Beziehung zu Eilis für Willem so präsent geworden wie die Gegenwart. So kann er Eilis‘ Verwandlung zurück zum Kind besser ertragen. Dazuhin plagt ihn ein schlechtes Gewissen wegen  eigenen Verfehlungen gegenüber seiner Frau und auch den Kindern. Es bleibt nicht aus, auch Willem ändert sich durch die belastende Situation. Sein Alltag mit den Überforderungen wird zum steten Kampf gegen das Andenken an schöne Zeiten.

Metaphorisch gelungen lesen sich die Episoden in denen es Eilis gelingt, mit scheinbarer Leichtigkeit eine Fliege zu fangen die sie sich in den Mund steckt, denn im Text zuvor wird Leonardo da Vinci erwähnt, der die Fliegen als die Seelen der Toten bezeichnete.

Eine wehmütige, einfühlsame Novelle die vom Alter handelt, das vom Erinnern und Vergessen geprägt ist. Das Positive dominiert über Ausweglosigkeit und Trauer.

Hansjörg Schertenleib: Die Fliegengöttin.
Kampa Verlag, September 2018.
176 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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