Gytha Lodge: Neben wem du erwachst

Louise wacht auf nach einer durchgesoffenen Nacht. Das ist kein völlig neues Gefühl für sie, denn nur der Alkohol kann die andere, die mutige, die fröhliche Louise hervorbringen. Ein Teil von ihr, den Louise ebenso hasst, wie sie ihn braucht und will. Eigentlich trinkt sie nur noch, wenn ihr Mann Niall auf Geschäftsreise ist, denn er sieht das nicht gerne. Wieso liegt er also neben ihr? Langsam kommt Louise in ihrem Kater zu sich und stellt fest: Der Mann neben ihr ist nicht Niall und er ist tot. Was hat sie nur getan? Sie kann sich an nichts erinnern.

Gytha Lodge erzählt ihren Roman aus zwei Sichten. Aus der von Louise und aus der der Ermittler. Das ist insofern in diesem Fall ziemlich genial, weil uns Louise von ihren Zweifeln erzählt, von ihren Erlebnissen mit der „betrunkenen Louise“, die so ganz anders ist, als die „normale Louise“. Der Leser versteht erst nach und nach, warum Louise ihren betrunkenen Part so sehr braucht und lernt sehr viel früher als sie selbst, an Niall zu zweifeln. Im Laufe der Ermittlungen werden Zweifeln an so ziemlich jedem Teil von Louises Leben gestreut und das bleibt bis zum Schluss spannend. Zumal das meiste zwar nicht so ist, wie es am Anfang schien, aber auch nicht so, wie man in der Mitte glaubte.

Den zweiten großen Erzählpart bildet das aus bereits seit zwei Romanen bekannte Ermittlerteam. Insbesondere Juliette Hanson spielt eine große Rolle, weil es auch um Gewalt und Unterdrückung in der Partnerschaft geht und dabei ist sie wirklich eine Expertin. Ich feiere sie immer noch für ihre konsequenten Entscheidungen, die sie mir erst so richtig richtig sympathisch gemacht haben. Weil sie recht hat. Weil die Autorin den Leser an dem Entscheidungsfindungsprozess teilhaben lässt. Weil ich als Leser einfach mal so richtig tief durchatmen konnte. Weil sie einfach eine tolle Frau ist, die in einem tollen Team angekommen ist.

Die Ermittlungen schreiten voran, bringen Neues ans Tageslicht, laufen auch mal in die falsche Richtung aber die Spannung in dem Thriller bricht nie ab. Verstörend fand ich, dass beinahe jede Nebenrolle in diesem Buch mit einem mehr oder weniger durchgeknallten Arschloch besetzt ist. Ob die Eltern des schwulen Opfers, die ihrem Sohn selbst ihm Tod die Ehe mit einem Mann nicht verzeihen können oder die seltsamen Gestalten, die Louise auf ihren Sauftouren mit ihrer Freundin April (auch durchgeknallt, aber kein Arschloch) kennenlernt. Die meisten sind seltsam und scheinen gewaltbereit, als hätte sich eine Blase um die Protagonisten gebildet und alles, was nicht dazugehört ist komisch.

Fazit: Lesenswerter Thriller, der eine Menge Spannung hat.

Gytha Lodge: Neben wem du erwachst.
Aus dem Englischen übersetzt von Sepp Leeb & Kristian Lutze.
Hoffmann und Campe, August 2021.
400 Seiten, Taschenbuch, 16,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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