Günter Grass: Sechs Jahrzehnte

sechsSeit fast zehn Jahren zieht Günter Grass Bilanz. Einen Roman will sich der 87-jährige Literatur-Nobelpreisträger „nicht mehr zumuten“, weil die Recherchen dafür sechs bis sieben Jahre dauern würden.
Aber nach seinen drei Autobiografie-Bänden, die im nächsten Jahr im Steidl-Verlag als Trilogie-Box erscheinen, blickt er nun auf „Sechs Jahrzehnte“ Künstlerleben zurück. Es ist ein gewichtiges Buch, 1700 Gramm schwer, 608 Seiten dick mit mehr Bildern als erklärenden Texten, dazwischen Manuskripte und Gedichte.
Grass wollte zunächst nicht Schriftsteller, sondern bildender Künstler werden. Weil die Düsseldorfer Kunstakademie wegen Kohlenmangels im harten Winter 1946/47 geschlossen blieb, begann der 19-Jährige eine Lehre als Steinmetz, wollte Bildhauer werden. In einem Caritas-Heim zeichnete er Porträts von alten Männern, bewarb sich mit ihnen ein Jahr später an der Akademie.
Studium in Düsseldorf
Grass erzählt in dem „Werkstattbericht“ von seinem Studium bei Otto Pankok in Düsseldorf und später bei Karl Hartung in Berlin. Und auch von Auftritten mit einer Jazzband in Düsseldorf. Noch in Düsseldorf, in den ersten Studienjahren, schrieb Grass auch die ersten Gedichte.
Skizzen, Aquarelle, der erste Holzschnitt aus dem Jahr 1955, Radierungen (seit 1972), die „Aquagedichte“, die ab 1996 auf Aquarellblättern entstanden, unzählige Illustrationen zu seinen Büchern und Fotos von Skulpturen aus Terrakotta und Bronze, die im neuen Jahrtausend entstanden, sind in dem prachtvollen Buch abgebildet. Es ist ein wunderbares Künstlerbuch. Dass Grass ein toller Maler ist, hat er schon 1999 in seinem Buch „Mein Jahrhundert“ bewiesen. Und immer wieder sieht man Grass auf Fotos bei der Arbeit in seinen Ateliers.
2006 hat der Nobelpreisträger den ersten Band seiner Biografie, „Beim Häuten der Zwiebel“, vorgelegt und mit dem Bekenntnis, als Jugendlicher bei der Waffen-SS gewesen zu sein, für Aufruhr gesorgt. In dem Künstlerbuch nimmt er erstmals dazu schriftlich Stellung: Für seine Kritiker sei das eine willkommene Gelegenheit gewesen, ihn „endlich doch noch mundtot zu machen“. „Der Vernichtungswille, dem der Autor und sein Lebenswerk ausgesetzt blieb, war dergestalt verletzend, dass ich mich kurz vorm Aufgeben sah“, schreibt er.

Günter Grass: Sechs Jahrzehnte.
Steidl, Oktober 2014.
544 Seiten, Gebundene Ausgabe, 45,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Julia Gaß.

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