Graham Masterton: Die Schlaflosen

Ein Flugzeug stürzt kurz nach dem Start in der Nähe von Boston ab. An Bord über dreihundert Menschen, darunter der zukünftige als unbestechlich bekannte Leiter der Drug Enforcement Agency, die in einen grausamen, unnötigen Tod stürzen. Eine der Leichen, eine junge Frau wird nie gefunden. Zwei Jahre später – wieder Boston, wieder ein Absturz. Dieses Mal sind der liberale, designierte Richter am obersten Gerichtshof der USA und seine Familie Opfer des Unglücks. Im dem mehr als 10 Minuten nach dem Absturz ausbrennenden Helikopter fehlt die Leiche der Tochter des Richters. Kurz darauf stößt die Polizei auf zwei Frauenleichen. Beide wurden bestialisch gefoltert, geschändet und gequält. Und beiden wurde, sehr professionell, aus der Nebenniere Adrenalin entnommen.

Der Versicherungsdetektiv Michael Reardon, Detective Thomas Boyle von der Bostoner Polizei und der schwarze Bügerrechtler Matthew Monyatta machen sich zunächst unabhängig voneinander auf, die Hintergründe der Morde zu erforschen. Sie stoßen dabei nicht nur auf ein Geflecht von einflussreichen Hintermännern, die die Untersuchungen torpedieren und alle ungewünschten Ergebnisse unter den Teppich kehren wollen, ja, die dabei einen Bürgerkrieg mitten in Boston initiieren, sondern auch auf strahlend weiße Männer, Unsterbliche, die seit Urzeiten darum bemüht sind, Unheil, Neid und Missgunst zu sähen …

Herausgeber Frank Festa vom gleichnamigen Verlag fährt in seinem Verlag mehrgleisig. Neben den Extrem Horror Bänden, die dem Vernehmen nach vom Publikum gut angenommen werden, bietet er seinen Lesern packende Thriller, Klassiker um Lovecraft und dessen Zeitgenossen, wundervoll gestaltete Werkseditionen u.A. von Robert E. Howard und gehobene Horror-Titel. In letztere Kategorie lässt sich vorliegender Roman einreichen.

Graham Masterton, den Frank Festa letztes Jahr als Gast auf den Elstercon in Leipzig eingeladen hatte, gehört zu den versiertesten Autoren unter dem Dach des Hauses des Horrors. In vorliegendem, im Original bereits 1993 erschienen Roman weiß er erneut faszinierend zu fabulieren und packend zu erzählen.

Aus verschiedenen Blickwinkeln eröffnet er uns dabei einen sehr direkten, ungeschönten Einblick in die Ermittlungsarbeit sowohl der öffentlichen Stellen, wie auch der Versicherungsdetektive. Zunächst fußt dabei alles ganz in der Realität. Forensische Untersuchungen, die Suche nach Motiv und Täter, das alles kennen wir aus Kriminalromanen. Dazu gesellt sich dann ein ethischer Konflikt, der mehr oder minder gesteuert in der Stadt ausbricht. Die Korruption des Establishments wird dabei ebenso deutlich angesprochen, wie die verkarsteten Strukturen der Eliten, die sich gegenseitig Posten und Reichtum zuschieben, verhindern, dass es zu markanten Veränderungen kommt – schließlich sollen die Fleischtöpfe dem Kreis einiger weniger Privilegierter vorbehalten bleiben.

Dass Michael durch seine Untersuchungen an der Absturzstelle des Jets traumatisiert ist, wie er von Albträumen heimgesucht wird und versucht, mit seinen Psychiater und durch Wegzug und Kündigung seines lukrativen Jobs den Heimsuchungen zu entgehen wird ebenso intensiv wie unsentimental beschrieben. Der schnöde Mammon, die wirtschaftliche Notwendigkeit zwingt ihn zunächst wieder zurückzukehren und unwillig die Untersuchungen aufzunehmen.

Erst spät führt der Autor seine phantastischen Sequenzen ein, arbeitet hier sehr geschickt nach dem Motto „weniger ist mehr“. Aufgrund der Indizien, sich häufender Hinweise kommen die Protagonisten dann den strahlend weißen Männern auf die Spur, fügt Masterton dem Plot immer weitere phantastische Ideen hinzu. Dies führt dazu, dass sich das Lesetempo immer weiter erhöht, dass wir förmlich in die Handlung hineingezogen werden und den Geschehnissen fasziniert folgen. Auch wenn das Finale ein ganz klein wenig enttäuscht, Vieles fast ein wenig zu einfach erscheint, liegt ein Roman vor, der sein Potential, den Leser zu packen und nicht aus seinen Klauen zu lassen geschickt ausspielt.

Graham Masterton: Die Schlaflosen.
Festa Verlag, Mai 2017.
608 Seiten, Taschenbuch, 13,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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