Graeme Macrae Burnet: Sein blutiges Projekt: Der Fall Roderick Macrae

Culduie, ein winziger Ort in den Highlands, liegt malerisch in der Nähe des Meeres. 1869 ist das Leben der verarmten Bauern hart und überschaubar. Zum Entsetzen der Bewohner soll Lachlan Mackenzie, einer der größten Streithammel, der neue Constable werden, um die unbeliebte Arbeit des Erfüllungsgehilfen für den Gutsverwalter zu übernehmen. Natürlich nutzt er die ihm verliehene Macht für seine Rachefeldzüge. Keiner ist vor ihm sicher. Geldstrafen, Sonderarbeiten und Gewalt verändern das dörfliche Miteinander.

Der ärmste Bauer ist Roderick Macraes Vater und gleichzeitig der einzige, der passiven Widerstand leistet. Innerhalb weniger Monate verändert sich das Leben des sechszehnjährigen Roderick gravierend. Die Mutter stirbt bei der Geburt des sechsten Kindes. Kurz darauf endet seine Schulzeit. Eine weiterführende Schule darf er nicht besuchen, weil der Vater ihn für die Feldarbeit braucht. Eine Reihe von Schikanen und Gewalt treiben Roderick in die Verzweiflung. Bis er schließlich zu einem mehrfachen Mörder wird. Die Bewertung seiner Tat obliegt nun dem Gericht: Soll der Junge am Galgen hängen oder in der Irrenanstalt landen?

Graeme Macrae Burnet inszeniert in seinem zweiten Roman ein spannendes Sozialdrama vor einem historischen Hintergrund, das aus Aussagen und Berichten verschiedener Personen besteht. Rodericks Bericht zeigt einen jungen Mann, der aufgrund seiner Intelligenz ein Außenseiter wird. Schon sehr früh gerät er in das Netz alter Stammesfehden. Von Anfang an ist klar, dass er mit seinen eingeschränkten Mitteln nicht aus dieser Misere herauskommt. Ihm sind nicht nur aufgrund seiner Jugend die Hände gebunden. Zum einen liebt er das falsche Mädchen. Und dann sind da noch familiäre Verpflichtungen und bittere Armut. Besonders spannend entwickelt sich die Gerichtsverhandlung, wenn Ärzte und Dorfbewohner als Zeugen auftreten. Es entsteht ein düsteres Sittengemälde, in dem Gerechtigkeit und mildernde Umstände keinen Platz haben. Denn die Gebräuche vor 150 Jahren haben ein Klima der Unterwerfung geschaffen. Die scheinbare Ausweglosigkeit bleibt bei der Lektüre ebenso nachhaltig in Erinnerung wie die Akzeptanz von Unrecht.

Mit wunderbar gezeichneten Charakteren zeigt der Autor, wie Tradition zu einem Kerker mutiert: Es sind immer die gleichen Vertreter Kerkermeister und immer die Anderen, die dieser Schlüsselgewalt ausgeliefert sind.

Der 1967 im schottischen Kilmarnock geborene Graeme Macrae Burnet hat es geschafft, mit dem aktuellen und zugleich zweiten Roman auf die Shortlist für den Booker Prize 2016 zu kommen. Bereits sein Debüt wurde in Schottland ein großer Erfolg. Wer so gut schreiben kann wie Burnet, darf auf viele Erfolge hoffen … und der Leser auf weitere tolle Bücher.

Graeme Macrae Burnet: Sein blutiges Projekt: Der Fall Roderick Macrae.
Europa Verlag, Februar 2017.
344 Seiten, Taschenbuch, 17,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.