Felix Lobrecht: Sonne und Beton

»Julius hat grad geschrieben, ja. Heut Abend Party Grenzallee. Könnten auch bei ihm vorsaufen«, sagt Gino. »Hört sich doch jut an, oder? Lass da auf jeden Fall hingehen. Trinken, paar Bitches umschießen. Is doch geil.« Sanchez grinst. Ich zucke mit den Schultern. »Die Partys da sind ’ne Katastrophe. Ich kann dir jetz schon sagen, wie das wird: Wir kommen um zehn, es läuft scheiß Radiomusik, alle saufen, haben gute Laune für ein, zwei Stunden. Spätestens halb eins wird Aggro angemacht, alle Jungs rasten aus, die Mädels gehen, und dann reiten irgendwelche Kanaken ein, schlagen alle, klauen den Suff und verpissen sich wieder.« »Locooo, was’n dit für ’ne Erklärung? Dann bleiben wa halt bis halb eins, schnappen uns paar Putas und machen woanders weiter!« Sanchez rudert mit den Armen. »Asere, heut ist Freitag. Wir gehn auf jeden Fall da hin!«

Es ist Sommer, es ist heiß und vier Jungs sitzen fest, eingekesselt in den Hochhausschluchten von Berlin: Sonne und Beton eben. Schule schwänzen, kiffen, ab und an eine kleine Prügelei, so sieht der Alltag der vier Protagonisten im Coming-of-Age-Roman von Felix Lobrecht aus. Man versucht irgendwie die Langeweile zu überspielen, die Perspektivlosigkeit zu verdrängen. Das könnte vermutlich immer so weiter gehen, doch dann treffen sie eine folgenschwere Entscheidung…

Felix Lobrecht erschafft eine authentische Atmosphäre, man sieht sie förmlich vor sich, die Hochhausbauten mit ihren farblosen Fassaden und dazwischen die Jugendlichen in ihren Picaldijeans und Alpha Jacken, mit Kippe im Mund und Handy in der Hand. Dazu passt es hervorragend, dass der Autor die Sprache dieser Jugendlichen spricht (siehe Zitat oben), in die man sich als Nicht-Berliner und vor allem nicht mehr Jugendlicher vielleicht erst einmal hineinlesen muss, die den Roman aber umso wirksamer macht. Man merkt, dass Lobrecht weiß, wovon er schreibt. Er selbst ist, wie die Hauptfigur Lukas, bei seinem alleinerziehenden Vater in Berlin-Neukölln aufgewachsen. So schafft er es auch recht schnell, dass wir trotz all der Härte, die die Jungs versuchen auszustrahlen, Sympathie – statt Mitleid –  empfinden für seine vierköpfige Truppe, die eigentlich nur eins will, dazugehören.

Ein absolut lesenswertes Buch – für die ganze Republik – und, wie die Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, Dr. Franziska Giffey, sagt „Eine Aufforderung, genauer hinzusehen – auch für alle, die in diesem Land politische Verantwortung tragen.“

Felix Lobrecht: Sonne und Beton.
Ullstein Verlag, März 2017.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Nadine Roggow.

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