Emma Donoghue: Das Wunder

Irland, Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Geschichte eines 11 Jahre alten Mädchens sorgt für Aufsehen. Die kleine Anna O’Donnell hat seit vier Monaten nichts gegessen. Lediglich etwas Wasser nimmt sie zu sich. Die Katholiken im Ort und anderswo glauben sofort an ein Wunder, Pilger kommen in Scharen, um das Mädchen zu sehen. Die Krankenschwester Elizabeth Wright, genannt Lib, wird mit der Ordensschwester Michael dazu engagiert, zwei Wochen Tag und Nacht auf das Kind aufzupassen, um herauszufinden, ob es wirklich seit vier Monaten nichts gegessen hat und wie das möglich sein kann. Lib glaubt natürlich sofort an einen Schwindel. Es sollte doch einfach sein, Anna und ihre Familie innerhalb nur eines Tages zu überführen.

Emma Donoghue sorgte in 2012 mit ihrem fantastischen Roman „Raum“ für Aufsehen. In 2017 wurde dieser sogar verfilmt. Da ist es mehr als Zeit, dass der nächste Roman erscheint. „Das Wunder“ ist allerdings anders als „Raum“, obwohl man zugeben muss, dass auch hier die Handlung im Wesentlichen in einem winzigen Raum stattfindet. Lib lernt Anna als zartes, aber halbwegs gesund aussehendes Kind kennen. Es deutet nichts darauf hin, dass Anna wirklich seit vier Monaten nichts gegessen hat. Es muss ein Schwindel sein, es bleibt nur noch die Frage, wie das Kind an Nahrung kommt. Gut 80% des Romans befassen sich weitgehend eintönig mit diesem Umstand. Es passiert wirklich nicht viel. Und dennoch ist „Das Wunder“ kein schlechter Roman. Denn er ist nett geschrieben und nachdem man nach etwa einem Drittel oder der Hälfte der Geschichte die Eintönigkeit bemerkt, möchte man doch gerne wissen, wie die Geschichte ausgeht.

Eines sollte man bei der Lektüre allerdings nicht scheuen: Bibelzitate, Psalme, Lobsang und immer wieder Verweise auf Wunder des katholischen Glaubens. Die Geschichte ist voll davon und die Zeit, die Anna nicht mit Essen verbringt, kann sie beten und rezitieren. Das passt zur Geschichte, denn Glaube spielt eine sehr wichtige Rolle im Leben der Menschen des kleinen irischen Dorfes. Lib, die Protagonistin, kann damit allerdings wenig anfangen, denn der Glaube hat in ihrem Leben keinen Platz. Sie glaubt an die Medizin, ihre Beobachtungsgabe und ihre Unabhängigkeit. Dennoch lässt sie sich innerhalb der zwei Wochen, die sie Anna besuchen soll, mit etwas anstecken, das Glaube schon nahekommt.

Die Auflösung verläuft dann sehr gradlinig und rasch, es ist fast schade. Man hätte vielleicht mehr aus der Thematik machen können. Letztlich bleibt „Das Wunder“ deutlich hinter dem Erstling der Autorin zurück, ist aber dennoch lesenswert. Aufgemacht ist der Roman übrigens auch wunderschön!

Emma Donoghue: Das Wunder.
Wunderraum, November 2017.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 25,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

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