Elena Ferrante: Meine geniale Freundin

ferranteLila und Elena sind wie Feuer und Wasser und doch werden sie schon in der Grundschule Neapels zu besten Freundinnen, die meist fast nichts trennen kann. Es sind die 50 Jahre des letzten Jahrhunderts in denen diese weitverzweigte Geschichte ihren Lauf nimmt. Hier wachsen die beiden Mädchen in einem Milieu der Gewalt und der Unterdrückung von Frauen auf. Der Tagesinhalt der Menschen scheint einzig darin zu bestehen, gegeneinander Familienfehden auszutragen, die Ehre der Frauen wiederherzustellen und ums tägliche Überleben zu kämpfen. Nicht einfach für so zwei begabte Mädchen wie Elena und Lila es sind. Beide glänzen in der Schule, doch schnell wird klar, dass sich Lilas Familie die Bildung über den Standard hinaus nicht leisten kann. Elena hingegen kann auf eine weiterführende Schule gehen. Die Freundschaft der beiden wird auf mehr als eine harte Probe gestellt.

Aufhänger dieser auf mehrere Bände angelegten Geschichte ist das Verschwinden von der gealterten Lila, die mit Mitte 60 plötzlich von der Bildfläche verschwindet. Das alarmiert ihren Sohn, der sich wiederum besorgt bei Elena meldet. Sie kehrt gedanklich zum Beginn der Freundschaft der beiden Frauen zurück, um das Rätsel um Lilas Verschwinden aufzulösen. Man liest im ersten Band „Meine geniale Freundin“ von den Kindertagen der beiden und ihrer Jugend. Anfangs ist das amüsant, interessant und kurzweilig. Dann allerdings verliert sich die Geschichte in den bereits genannten Familienfehden und kommt nicht mehr recht vom Fleck. Ferrante schreibt ohne Zweifel flüssig und gut lesbar, aber der Geschichte fehlt es nach gut einem Drittel an Pep.

Dabei sind die beiden wichtigsten Figuren gut angelegt. Elena und Lila könnten kaum unterschiedlicher sein. Lila ist mutig und fordert Elena mit kleinen Mutproben immer wieder dazu auf, ihre eigenen Grenzen zu erweitern. Lila ist laut und sagt ihre Meinung. Elena ist stumm und zurückhaltend. Clever in der Schule sind sie beide, doch hat man immer wieder das Gefühl, dass Lila stets eine Nasenlänge weiter vorne ist. Auch als ihre Eltern die Bildung auf weiterführenden Schulen nicht mehr leisten wollen. Lila informiert sich über Elenas Schulstoff und kann all das Griechisch, Latein und die neuen Fächer lange bevor die Themen in Elenas Unterricht drankommen. Manche Szenen sorgen für gelungene Schmunzler oder ein Nachdenken, im Großen und Ganzen belenaleibt „Meine geniale Freundin“ allerdings hinter den Erwartungen zurück.

Kann man lesen, muss man aber nicht unbedingt. Es bleibt zu warten, was die Autorin noch aus der Geschichte macht. Im Januar 2017 soll es mit dem zweiten Band rund um die jungen Jahre der beiden Figuren unter dem Titel „Die Geschichte eines neuen Namens“ weitergehen.

Elena Ferrante: Meine geniale Freundin.
Suhrkamp, August 2016.
422 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

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