Donna Leon: Das goldene Ei

donnaDer Titel von Donna Leons neuem Brunetti-Krimi ´“Das goldene Ei“ ist genau so rätselhaft wie der Fall, mit dem es der venezianische Kommissar in seinem 22. Fall zu tun hat. Und eigentlich ist das gar kein Mord, dem Brunetti da auf die Spur kommen will, sondern ein Selbstmord.
Ein taubstummer, junger Mann stirbt an einer vermeintlichen Überdosis Tabletten. Die Menschen kennen ihn als Hilfskraft in einer Reinigung, aber dieser Mann hat ein Geheimnis, ist eine Art Kaspar Hauser: Er ist von seiner Familie als Baby vernachlässigt worden, hätte vermutlich sprechen und hören können, wenn seine Mutter ihm nicht jegliche Sprache verweigert hätte.
Mehr als in den anderen Brunetti-Krimis der Bestseller-Autorin steht in diesem Roman Brunettis Familie im Mittelpunkt: Ehefrau Paola, Sohn Raffi und Tochter Chiara. Die heile Welt des Kommissars steht in krassem Gegensatz zu der des toten Taubstummen Davide und seiner Familie. Die meisten Menschen in der Nachbarschaft und die Kunden der Reinigung kennen nicht mal Davides Namen, für sie ist er nur „der Junge, der nicht spricht“. Weder Geburtsurkunde noch andere Papiere des Toten lassen sich auftreiben, es scheint so, dass es diesen Jungen nie gegeben hat.
Die Spur führt zum „Kupferkönig“, einem Geschäftsmann, der auch schon lange tot ist, der aber immer noch für Davide zahlt. – Aus gutem Grund, wie Brunetti im Verlauf seiner kriminalistischen Puzzlearbeit herausfindet. Auch die Geschäftsmechanismen, die hinter Kupfersammlern stecken, wären einen Krimi wert gewesen und ein dankbares, aktuelles Thema gewesen. Donna Leon lässt das jedoch links liegen.
Einen Mörder kann der Kommissar am Schluss nicht verhaften, aber Schuldige hat er gefunden. Ein sehr menschliches Buch ist dieser Krimi, der den Kommissar mehr als sonst als sympathischen Privatmann zeigt. Und spannend ist dieser leise, melancholische Krimi auch ohne weitere Leichen und Thriller-Nervenkitzel.

Donna Leon: Das goldene Ei.
Diogenes, Mai 2014.
368 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Julia Gaß.

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