Daniel Woodrell: Tomatenrot

rotSammy hat schon seit langem eine schlechte Zeit. Und gerade sieht sein Leben besonders übel aus. Pleite und obdachlos lässt er sich von Freunden zu einem Einbruch bei Reichen überreden. Alle sind bekifft und betrunken. Letztendlich bricht nur Sammy ein und trinkt sich in der Villa besinnungslos. Dort wird er von zwei weiteren Einbrechern gefunden. Die Geschwister Jamalee und Jason nehmen ihn mit nach Venus Holler, einem Ort in einer Senke, wo die Ärmsten der Armen leben.

»Ich glaube, ich nenne dich Samuel.«

»Nein. Ich bin Sammy. Schon immer gewesen.«

»Aber Samuel klingt erwachsener.«

»So heiße ich aber nicht.«

»Aber Sammy, das ist ein Mensch, der Autos waschen und polieren kann, während Sam-u-el womöglich der Autohändler ist.« (S. 53)

Auch die Geschwister sind bettelarm und wollen es nicht bleiben. Zu dritt träumen sie weiter, bis der Traum plötzlich mit Jasons gewaltsamen Tod vorbei ist.

Es gibt Menschen, die holen sich immer und ewig an gläsernen Wänden und Decken blutige Nasen. Und egal, ob sie Haare tomatenrot färben, saubere Kleidung tragen oder den Geburtsnamen für ein besseres Omen aufpolieren, das Ergebnis bleibt das Gleiche. Es gibt Menschen, denen die Chancenlosigkeit in die Wiege gelegt wird. Statt dessen haben sie ein Lebensabo auf Armut und jede Menge Ärger. Der Ich-Erzähler Sammy ist einer von ihnen. In seiner Einsamkeit sucht er so dringend Kontakt, dass er häufig den Leser direkt anspricht, um ihn als Begleiter mit auf seine Reise zu nehmen.

»… Du bist kein Unschuldslamm, und du weißt, wie das so läuft: Freitag ist Zahltag, und der Tag ist grau und ganz durchgesuppt von einem langsamen, hässlichen Regen.« (S. 7)

Hässlich ist fast alles in seiner Umgebung, und Sammy steckt bis zu den Haarspitzen in Schlamm, Moder und Grausamkeit.

Daniel Woodrell, 1953 in St. Louis geboren, hat bereits in seinem früheren Roman »Winters Knochen« über die tiefe Armut in Amerika geschrieben. Im aktuellen Buch »Tomatenrot« steht diese Armut und die damit einhergehende Rechtlosigkeit erneut im Mittelpunkt des Geschehens. Sie ist nach wie vor eine gnadenlose Regisseurin, die alles erlaubt und nie verzeiht. Mal skizzenhaft, mal sprunghaft und mit einer ganz eigenen Poesie zeigt Daniel Woodrell das menschenverachtende Milieu, das von Staatsdienern unterstützt wird. Für Sammy sieht es so aus, als seien die Falschen im entscheidenden Moment stets stärker.

Daniel Woodrell: Tomatenrot.
Liebeskind, Januar 2016.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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