Clive Barker: Fahr zur Hölle, Mister B.

cliveSie kennen Dantes „Göttliche Komödie“ und meinen sich in den Kreisen der Hölle, wie die da oben die Unterwelt so prosaisch nennen, auszukennen? Haben vielleicht gar das eine oder andere dahingeschmierte Werk schlechter Autoren über die Unterwelt gelesen und meinen, sie kann nichts mehr wirklich überraschen?

Nun, dann legen sie das Buch mal ganz schnell weg, denn dann wird die Beichte meines Lebens nichts wirklich Neues für sie bereithalten.

Wenn sie aber wissen wollen, wie ein Dämon, und genau das bin ich, so denkt, was er erlebt, wenn er die Oberwelt besucht und wie es im immerwährenden Kampf der Engel gegen das Dämonation zugeht, dann sind sie hier richtig.

Allerdings warne ich sie ganz entschieden – nicht nur ihr Seelenheil ist in Gefahr, ihr Leben selbst wird ihnen schmerzhaft genommen – ich weiß, von was ich spreche, werde ich selbst doch ihr Mörder sein – lesen sie nicht weiter, sie werden es bereuen.

Immer noch da? Wenn sie wirklich ihr Leben und ihre Seele in Gefahr bringen wollen, dann erfahren sie, was wirklich im Haus des Goldschmieds Gutenberg zu Mainz passiert ist, als die himmlischen Heerscharen auf die Dämonen trafen – und ich kleiner geschuppter und verbrannter Dämon eine ganz gewichtige Rolle spielen durfte …

Clive Barker ist seitdem er vor Jahrzehnten mit seinen sechs Büchern des Blutes scheinbar aus dem Nichts auf der grossen Horror-Bühne explodierte ein Tausendsasa. Regisseur, Drehbuchschreiber, Maler und natürlich Autor, ein mehr als kreativer Kopf, dessen neuere Bücher sich kaum einem Genre richtig einordnen lassen.

Doch wollen wir dies überhaupt, immer ein mehr oder minder zutreffendes Label aufkleben? Nein, wichtig ist das, was uns zwischen den Buchdeckeln erwartet. Und das bietet bei einem Titel, der Barker als Verfasser zeigt immer etwas Besonderes.

Vorliegender, im Original bereits 2007 erschienene Kurzroman ist keine Ausnahme. Wie erwartet unterhält der Autor abseits ausgetretener Pfade mit einer ganz eigenen Beichte eines Dämons. Dass dieser aus dem neunten Kreis der Unterwelt stammend nicht eben zum Dämonenadel gehört, dass er vorlaut und naseweis ist, macht ihn als Ich-Erzähler interessant, ja fast, aber wirklich nur beinnahe sympathisch. Immer wieder kommt es vor, dass er ganz seiner Rolle entsprechend in Babyblut badet oder Seelen verführt – wobei er sich insbesondere gerne der Menschen annimmt, die scheinheilig Wasser predigen und Wein trinken – wobei diese Gewaltdarstellungen nie im Mittelpunkt stehen, immer mehr passendes Hintergrundgemälde bleiben.

Interessanter ist hier die erfrischend unvoreingenommene Sichtweise mit der unser Mister B., wie sich unser Erzähler selbst gerne nennt, die Oberwelt und ihre Bewohner inklusive des scheinheiligen Klerus´ sieht. Obwohl zeitlich im 14. Jahrhundert angesiedelt porträtiert der Autor mit spitzer Feder die menschlichen Schwächen und Verhaltensweisen, wie wir sie auch aus heutiger Zeit bestens kennen.
So ist das Buch auch ein Spiegel, den uns der Verfasser vorhält, mit und durch den er uns auf höchst unterhaltsame Art und Weise zwingt, uns unserer Schwächen bewusst zu werden und letztlich zu stellen.

Clive Barker: Fahr zur Hölle, Mister B. .
Festa, Februar 2014.
12,80 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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