Claudia Rikl: Das Ende des Schweigens

Das Ende des Schweigens besiegelt der Mörder, in dem er dem Opfer die Zunge herausschneidet. Kommissar Herzberg findet schnell heraus, dass der Tote zu Lebzeiten ein unangenehmer Zeitgenosse war. Der Ex-Major zählte zu den Hardlinern im DDR-Regime und agierte seinen Soldaten gegenüber ebenso rücksichtslos wie in seiner Familie. Je tiefer Herzberg in die Geschehnisse vor der Wende eintaucht, um so mehr leidet er an den eigenen Erinnerungen, die er bisher erfolgreich verdrängt hat. Damals wurde er wie alle jungen Männer zu einem harten Wehrdienst gezwungen, der den Willen der angehenden Soldaten brechen sollte. Herzberg selbst ging danach in den Widerstand und wurde wegen der Lektüre eines verbotenen Buches inhaftiert. Weit über Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall findet er noch immer Zeitgenossen, die der DDR und der guten, alten Armeezeit hinterher trauern. Gleichzeitig gehen sie über ihre eigenen Taten schweigend hinweg. Einer dieser Männer ist sogar Herzbergs unsympathischer Kollege Sven Färber. Sehr schnell macht dieser sich verdächtig, weil er immer neue Lügen erzählt. Während ihrer Ermittlungen finden Herzberg und sein Team auch überraschend viel über Svens Vergangenheit und dessen Verbindung zu dem Opfer heraus.

Auch die psychisch angeschlagene Journalistin Susanne Ludwig kämpft ebenfalls mit ihrer Vergangenheit. Als sie den Toten findet, erleidet sie einen zweiten Nervenzusammenbruch und kann sich im Krankenhaus an nichts mehr erinnern. Das Timing ist für sie denkbar schlecht. Denn die geschiedene junge Frau braucht Argumente, um das Sorgerecht für ihre Tochter zu behalten. Die Idee, über den Toten und die Opfer der NVA eine Story zu schreiben, soll ihr den beruflichen Wiedereinstieg ebnen. Bei ihrer Recherche kommt sie dem Mörder erneut sehr nahe und bringt sich in Gefahr.

Claudia Rikl hat in ihrem Debüt den Kriminalroman in die Landschaft Neubrandenburgs gesetzt. Geboren wurde sie 1972 in Naumburg, erlebte die Demonstrationen, die Wende und den Neubeginn als Abiturientin. Inzwischen wohnt die Juristin und Literaturwissenschaftlerin in Leipzig und schreibt an ihrem zweiten Fall für Kommissar Michael Herzberg. Das Besondere in ihrem kurzweiligen Krimi sind die markanten Charaktere in einem unverbrauchten Umfeld. Jeder der Beteiligten bekommt dadurch eine glaubwürdige, ganz persönliche Motivation und menschliche Tiefe. Die Autorin verknüpft geschickt eine schicksalträchtige Zeit in der Geschichte Deutschlands mit verschiedenen Biographien. Das Geflecht aus Lügen, Verdrängung und Tarnung schenkt eine spannende Unterhaltung bis zur letzten Zeile.

Claudia Rikl: Das Ende des Schweigens.
Kindler, März 2018.
528 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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