Claudia Neumann: Hat die überhaupt ne Erlaubnis, sich außerhalb der Küche aufzuhalten?

Oft war Claudia Neumann eine der ersten oder sogar die einzige Frau, wenn sie als Sportjournalistin beruflich etwas angepackt hat. Als Frau ein Fußballweltmeisterschaftsspiel der Männer live im Fernsehen zu kommentieren, ist auch heute noch eine absolute Ausnahme. Wenn Claudia Neumann diese Aufgabe übernimmt (und auch bei manch anderen Veranstaltungen, bei denen sie eingesetzt wird), ist der „Shitstorm“ beinahe vorprogrammiert. Um ihre eigene Persönlichkeit zu schützen, macht sie sich immer wieder klar, dass sie nur stellvertretend für die „Hetz- und Hexenjagd“ steht, die derzeit häufig im Gange ist. Sie ignoriert all die „Brutstätten wüster Beschimpfungen“ soweit sie kann, denn die Fußballkommentatoren sind (unabhängig vom Geschlecht) eine der beliebtesten Zielscheiben. Da ist es wohltuend, dass innerhalb der Reporter-Teams Solidarität und Zusammenhalt herrschen, die das teilweise wieder auffangen können.

Eine Opferrolle möchte sie keinesfalls annehmen. Sie ist keine, die sich in den Mittelpunkt stellt, doch sie bezieht deutlich Stellung zu dieser gesellschaftlichen Entwicklung, die durch das Internet erst möglich geworden ist, benennt, was aus ihrer Sicht schiefläuft und hat auch Ideen, wie dem entgegengesteuert werden könnte.

Ihre persönliche Geschichte hat auch ihre Haltung geprägt. In ihrem Buch berichtet sie von ihrer Kindheit auf dem Bolzplatz (Wolfgang Overath ist ihr Idol und Fallrückzieher ihre Spezialität), ihrem beruflichen Werdegang, von den Stolpersteinen und Erfolgen. Doch das ist noch längst nicht alles, worüber Claudia Neumann erzählt. Nebenbei habe ich eine ganze Menge über Sportübertragungen im Fernsehen erfahren. Wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt haben, wie es im Alltag von Sportreportern zugeht, welche Aufgaben die verschiedenen Professionen haben und wie spontan man manchmal reagieren muss.

Ein Kapitel widmet Claudia Neumann dem Frauenfußball und stellt fünf wegweisende Frauen vor, die ihn geprägt haben. Sie gibt zu, dass sie sich lange nicht sonderlich dafür interessiert hat. Doch nachdem sie begonnen hat, auch Frauenspiele zu kommentieren, bekommt sie ein anderes Bild: „Meine Ignoranz ist jener Hochachtung gewichen, die jeder erfolgreiche Sportler verdient, egal ob Männlein oder Weiblein. Nur Deppen können so was nicht anerkennen.“ (Kapitel „Frauenfußball und Fußballfrauen, eine Erfolgsgeschichte“)

Dieses Zitat zeigt auch, wie Claudia Neumann schreibt: kritisch und selbstkritisch, offen und ehrlich, ohne Schnickschnack, aber fundiert, informativ, durchdacht und dabei höchst unterhaltsam. Mir hat das Lesen großen Spaß gemacht, weil ich intelligente Unterhaltung mit Lerneffekt mag, Bücher, die mir zeigen, wie es hinter den Kulissen zugeht von Autor*innen, die etwas zu sagen haben. Claudia Neumann macht mit ihrem Buch Mut, an sich zu glauben und sich etwas zuzutrauen, auch wenn man (wie jeder Mensch) nicht perfekt ist. Dass das heute, vor allem in Bezug auf die Gleichberechtigung der Geschlechter, noch notwendig ist, sollte uns zwar zu denken geben, aber jeder Schritt in die richtige Richtung bringt uns voran.

Ganz am Ende kommen auch noch ein paar Kollegen zu Wort und was sie sagen, spricht von großer Wertschätzung, und zwar nicht nur für die Kochkünste von Claudia Neumann. Denn sie hält sich zwar gerne in der Küche auf, hat aber auch die Erlaubnis, rauszugehen und etwas anderes zu machen. Zum Glück.

Klare Empfehlung, nicht nur für Sport- und Fußballfans.

Claudia Neumann: Hat die überhaupt ne Erlaubnis, sich außerhalb der Küche aufzuhalten? Wie ich lernte, das Leben sportlich zu nehmen.
HarperColins, März 2020.
272 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.

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