Charlotte Roth: Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit: Michael Ende – Roman eines Lebens

Im Herbst 1928 fährt Edgar Ende mit dem Zug von Hamburg nach Garmisch. Er ist auf der Suche nach seiner geliebten Elis, die von ihren Eltern aus seinem „Dunstkreis“ entfernt wurde. Zu schlecht schätzen sie den Einfluss des erfolglosen Künstlers auf ihre Tochter ein. Schließlich soll sie entsprechend ihres Ranges eine gute Partie machen und davon ist Edgar weit entfernt.

Edgar findet in Garmisch Elis zwar nicht, aber als er sich vor dem Regen in einen kleinen Laden flüchtet lernt er Luise Bartholomä kennen, mit der er sich gleich verbunden fühlt und die er nur vier Monate später heiratet.

Das gemeinsame Leben der beiden Außenseiter ist geprägt von Geldmangel und Kreativität. Luise schafft das Geld heran, während Edgar malt und nur hin und wieder ein Bild verkauft. Sein Stil liegt gerade nicht im Trend, mit seiner überbordenden Fantasie können nur wenige Menschen etwas anfangen. Doch Luise hält ihm den Rücken frei.

Als sich der kleine Michael ankündigt und im November 1929 geboren wird, wird der Alltag nicht leichter. Aber die Eltern schaffen ihm ein liebevolles Heim, glückliche, leuchtende Kinderjahre, an die Michael sein Leben lang gerne zurückdenkt.

Denn nicht immer wird es so bleiben. Der Umzug nach München reißt ihn aus seiner gewohnten Umgebung, die Eltern streiten und trennen sich, beiden – vor allem der Mutter – bleibt er eng verbunden, aber die Beziehungen sind ambivalent. Michael plagen Selbstzweifel, seine Schreibversuche sind zunächst von wenig Erfolg gekrönt, die Verleger verstehen ihn nicht, manche versuchen, seine Texte umzukrempeln. Mit seinem ersten Buch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ wird er in die Kinderbuchschublade gesteckt, in die er nie hinein wollte. Er ringt mit seinen Texten, nur selten gehen ihm die Geschichten schnell von der Hand. Zeitweise lebt er in seinen eigenen, fantastischen Welten, bekommt sie aber nicht für sich zufriedenstellend aufs Papier. Seine Frau Ingeborg wird ihm zu einer unersetzlichen Stütze. Doch auch einige andere Frauen spielen eine wichtige Rolle in seinem Leben.

Die Autorin Charlotte Roth ist mit dem Leben und Werk Michael Endes seit vielen Jahren vertraut. Mit diesem Roman – der ausdrücklich keine Biografie sein will – über sein Leben ist ihr etwas ganz Besonderes gelungen. Sprachlich ausgefeilt, poetisch und detailliert nimmt sie die Leserinnen und Leser mit auf eine Reise durch die Gedanken- und Vorstellungswelt von Michael Ende. Sie beginnt den Bogen schon vor seiner Geburt zu spannen und beendet ihn mit seinem Tod. Durch die intensive Einbindung der elterlichen Geschichte wird umso deutlicher, wie er sich zu dem Menschen entwickeln konnte, der er war.

Dabei spielt die Autorin mit den Fakten und hält sich auch nicht immer an die chronologische Reihenfolge der Ereignisse. „Ein Romanautor verknüpft die Fakten des äußeren Lebens mit fiktiven Verdichtungen, um einen Blick in die Innenwelt zu werfen,“ schreibt sie in ihren Anmerkungen, die sie dem Buch voranstellt. Auch wenn nicht alles der objektiven Wahrheit entspricht, atmet das Buch den Geist und die Persönlichkeit Michael Endes.

Dazu hat auch Roman Hocke, langjähriger Freund und Lektor von Michael Ende, beigetragen, indem er das Buch inhaltlich kuratiert hat. „Ein Leben wie das von Michael Ende, das in der Außenwelt gleichermaßen drastische wie wunderschöne Ereignisse aufweist und mit einer reichen, einmaligen Innenwelt aufwartet, konnte aus unserer Sicht also nur in Form eines Romans lebendig gemacht werden“, schreibt er in seinem Nachwort.

Egal, ob man die Bücher von Michael Ende kennt und liebt oder nicht: Dieses außergewöhnliche Leseerlebnis kann ich jeder Leserin und jedem Leser nur wärmstens empfehlen. Es macht Lust darauf, seine Geschichten neu zu entdecken.

Charlotte Roth: Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit: Michael Ende – Roman eines Lebens.
Eisele Verlag, September 2019.
432 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.

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