Carola Rackete: Handeln statt Hoffen: Aufruf an die letzte Generation

Wer kann sich nicht an die Bilder in den Nachrichten erinnern, die Bilder der jungen Kapitänin, die sich dem damaligen italienischen Innenminister entgegenstellte und mit ihrem Rettungsschiff im Hafen von Lampedusa anlegte, um die aus Seenot geretteten Flüchtlinge in einen sicheren Hafen zu bringen. Wer kann ernsthaft all die Bilder von kranken, verletzten, verstörten und geschundenen Menschen vergessen, die auf seeuntüchtigen Schlauchbooten über das Mittelmeer flüchten, vor Armut, vor Hunger, Missbrauch und Versklavung.

In diesem Buch erzählt Carola Rackete die Geschichte dieser Rettung aus ihrer Sicht und sie erzählt, warum Menschen unter Lebensgefahr über das Meer flüchten. Und sie erklärt, was wir alle tun können, tun müssen, um die Welt so zu verändern, dass niemand mehr solch eine Flucht wagen muss.

Carola Rackete, geboren 1988, hat Nautik und Naturschutzmanagement studiert. Sie ist auf Forschungsschiffen in der Arktis und in der Antarktis gefahren, sie hat an zahlreichen Naturschutzprojekten auf allen Kontinenten mitgearbeitet. Und sie arbeitet in ihrer Freizeit in der zivilen Seenotrettung. Rackete gehört der Bewegung Extinction Rebellion an, die gegen die Klimakrise kämpft.

Die Autorin schildert die Vorfälle um das Anlegen der Sea Watch 3 in Lampedusa im Juni 2019, das Versagen der italienischen und der anderen europäischen Behörden und Institutionen und sie beschreibt die Gedanken, die ihr bei all dem durch den Kopf gingen. Ergänzend dazu gibt sie Einblick in ihre eigene Lebensgeschichte, in ihren Werdegang und ihre Entwicklung zu einer überzeugten Aktivistin für den Klimaschutz.

Der Titel des Buches ist ihr Programm. Carola Rackete ist überzeugt: die Zeit des Hoffens ist vorbei, jetzt, spätestens jetzt ist die Zeit des Handelns gekommen.

Die Klimakrise, so Rackete, ist vor allem eine Gerechtigkeitskrise. Unsere Lebensweise hier im Globalen Norden hat direkte Auswirkungen auf die Menschen im Globalen Süden. Wir liefern unseren Elektroschrott nach Afrika, wir kaufen billige, in menschenunwürdigen Fabriken in Bangladesch hergestellte T-Shirts und verursachen damit für die Menschen im Globalen Süden Krankheit und Umweltverschmutzung. Wir zerstören das Klima und das wirkt sich zuerst in den armen Ländern aus, die am wenigsten zu der Klimakrise beitragen. Daraus folgt für Rackete: „Solange dieses Wirtschaftssystem weiter so massive soziale Ungleichheit erzeugt und die Natur in fast allen Gegenden der Erde ausgebeutet wird, werden Menschen ihr Leben Booten anvertrauen, in die sich garantiert niemand freiwillig hineinwagen würde. Und darum ist es keine ‚Flüchtlingskrise‘. Es ist eine Krise der globalen Gerechtigkeit.“ (S. 35)

Die Autorin ist radikaler in ihrer Meinung und in dem, was sie fordert als die Aktivisten Luisa Neubauer und Alexander Repenning, deren Buch fast zeitgleich erschien und das ich unmittelbar vor Racketes Buch gelesen habe. Aber auch sie ruft dazu auf, sich zu informieren, zu organisieren und vor allem zu handeln. Es wird viele geben, die nicht einverstanden sind mit dem, was Carola Rackete in ihrem Buch darlegt, wie sie die Dinge sieht und vor allem, welche Lösungen sie noch erkennt und, ja, verlangt. Sie ist drastisch in ihren Aussagen und ihre Ansätze sind kämpferisch, visionär, vielleicht utopisch. Aber in einem hat sie meines Erachtens Recht: Es ist Zeit zu handeln.

Carola Rackete: Handeln statt Hoffen: Aufruf an die letzte Generation.
Droemer, November 2019.
176 Seiten, Gebundene Ausgabe, 16,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

 

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